Räterepublik Deutschland

Zu den schon längst im Dienste des Neoliberalismus agierenden Sachverständigen„räten“ – unter anderem für Wirtschaft und Gesundheit, Migration und Umwelt – zieht nun Hubertus Heil einen elfköpfigen „Rat der Arbeitswelt“ aus seinem Hut. Nein, halt, ganz allein agiert da der Arbeitsminister nicht. Nein, er tut das mit den die Deutschland AG durch Dick und Dünn mittragenden beiden „Sozialpartner“, also Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) und Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA).

An der Spitze und als Aushängeschild des neuen „Rat der Arbeitswelt“ finden wir deshalb die zwei Ratsvorsitzenden: Siemens-Personalchefin Janina Kugel (49) und den Ex-ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske (67). Die beiden Dachverbände installierten dazu noch als sachverständige Beigabe Mathias Möreke, Stellvertretender Betriebsratsvorsitzender des VW-Werks Braunschweig, sowie den Betriebsratschef der BASF, Sinischa Horvat, und die Lufthansa-Personalvorständin Bettina Volkens. Als weiteren Vertreter der Kapitalseite sitzt, mit dem Ticket „Mittelstand“ ausgestattet, der langjährige Präsident der Handwerkskammer Berlin, Stephan Schwarz, dazu noch zwei vom Arbeitsministerium handverlesene Vertreter aus der Start-up-Szene im „Rat der Arbeitswelt“. Vermeintlich objektiven wissenschaftlichen Beistand leisten die Nürnberger Soziologin Sabine Pfeiffer und Ulrich Walwei, Vizedirektor des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit (IAB), sowie die Züricher BWL-Professorin Uschi Backes-Gellner.

Bei genauer Draufsicht ist die ganze Chose sehr kapitallastig besetzt. Wie das? Sagte nicht die Kanzlerin Merkel vor kurzem in ihrem Videopodcast: „Die Gewerkschaften haben sich immer wieder den großen Veränderungen der Gesellschaft und des Wirtschaftens gestellt.“ Das Lob war mehr als verdient. Denn wie sagte doch der Vorsitzende des DGB, Reiner Hoffmann, im Handelsblatt-Interview: „Wir als Sozialpartner entlasten den Staat täglich von Verteilungskonflikten.“ Die Mitmachprämie beim „Rat der Arbeitswelt“ fällt da doch recht bescheiden aus.

Aufgabe des außerhalb des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales angesiedelten Kunstprodukts ohne demokratische Legitimation und ohne Durchsetzungsgewalt: Er soll sich mit den zukünftigen Veränderungen in der Erwerbsarbeit auseinandersetzen, um dann der Bundesregierung einen Arbeitsweltbericht mit unverbindlichen Handlungsempfehlungen vorzulegen. Dabei wird der neu geschaffene „Rat der Arbeitswelt“ durch eine Extra-Geschäftsstelle unterstützt, die sich aus Leuten der Prognos AG, dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) und dem Institut Arbeit und Qualifikation an der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen (IAQ) zusammensetzt. Kristina Stegner (Prognos) leitet die mit einem Gesamtbudget von rund 1,5 Millionen Euro jährlich finanzierte Geschäftsstelle. Auf den ersten Blick ziemlich viel Geld. Für wen kommt da wirklich was am Ende rum? Eine alte Unternehmer-Weisheit lautet: „Guter Rat ist teuer.“ Ich denke, sie werden sich den auch diesmal was kosten lassen.

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"Räterepublik Deutschland", UZ vom 7. Februar 2020



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