Schäubles Marshallplan

Ein Kommentar von Georg Fülberth

Georg Fülberth

Georg Fülberth

Wenn einem nichts mehr einfällt, wünscht er sich einen Marshall-Plan.

Das nach dem damaligen US-amerikanischen Außenminister benannte European Recovery Program war eine Kreditspritze für den westeuropäischen Kapitalismus. Die 13,12 Milliarden Dollar (heute wären das ca. 127,1 Milliarden), die aufgewandt wurden, sind nicht allein ausschlaggebend gewesen. Damit sie wirken konnten, waren weitere Bedingungen nötig und auch gegeben:

Die Industrien der Empfängerländer waren durch den Krieg zwar angeschlagen, aber noch vorhanden, im Kern auch intakt und bedurften eines finanziellen Anreizes. Es herrschte jetzt Frieden, die europäischen Staaten hatten eigene Währungen, und es gab Kapitalverkehrskontrollen.

Das vorletzte Mal ist ein Marshall-Plan für Griechenland gefordert worden, unter anderem durch Giannis Varoufakis. Von den hier aufgeführten Voraussetzungen bestanden nur zwei: kurzlebige Kapitalverkehrskontrollen und kein Krieg.

Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos ist nun Finanzminister Schäuble mit einer Marshallplan-Idee vorstellig geworden. Sie sollte auf den Nahen Osten und Afrika angewandt werden, in einer Nebenbemerkung war auch von Griechenland wieder die Rede. Was den letztgenannten Staat betrifft, so hat er keine Währungssouveränität mehr. Mehrere Länder des Nahen Ostens und Afrikas sind Failing States, also nicht handlungsfähig. Es herrscht Krieg, in dem Regionalmächte in Syrien den Kampf um die Vorherrschaft auszuschießen versuchen. An Geld fehlt es nicht unbedingt. Es ist in den Händen von Staaten, die die Konflikte anheizen: Katar und Saudi-Arabien.

Ein Investitionsprogramm, wie es Schäuble vorschlägt, mag ja irgendetwas sein, aber ein Marshallplan ist es unter den eben beschriebenen Bedingungen nicht. Seinen Zweck hat der Minister offen genannt: der Flüchtlingsdruck auf die europäischen Grenzen soll gelindert werden. Deshalb könnte auch Griechenland als südosteuropäischer Türsteher und Rausschmeißer ein bisschen etwas von dem Marshall-Segen abbekommen. Der Hauptanteil aber ist den Nachbarstaaten Syriens zugedacht. Sie sollen instandgesetzt werden, die Flüchtlinge fest- und den Europäern vom Halse zu halten. Der alte Marshall-Plan hatte gerade die umgekehrte Wirkung: er zog Millionen Menschen von Ost nach West.

Nehmen wir einmal an, Schäuble sei besser als sein Ruf und er wolle nicht nur Grenzschutz, sondern auch echte Wirtschaftshilfe. Dann: siehe oben.

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"Schäubles Marshallplan", UZ vom 5. Februar 2016



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