„… sie verkaufen ihre Freiheit“

Hermann Glaser-Baur im Gespräch mit Willie Drennan

Willie Drennan & Band

treten mehrmals am irischen Stand und am Samstag auf der Hauptbühne auf.

UZ: Du bist einer der profiliertesten Musiker, Komponisten und Liedermacher Irlands. Das Pressefest der UZ ist dein Deutschland-Debüt. Warum so spät und warum bei dieser Veranstaltung?

Willie Drennan: Es hat sich einfach so ergeben. Einige Male waren wir nahe dran, aber es war aus logistischen Gründen nicht machbar. Außerdem falle ich bei den Promotern ein bisschen „zwischen die Stühle“. Ein großer Teil meiner Musik kommt aus der „Ulster-Scots-Tradition“, die ich als Variante der irischen Musik bezeichnen würde. Ich passe nicht in die Schablonen der Konzertagenturen.

Auf das UZ-Pressefest wurde ich vor zwei Jahren aufmerksam, damals ließ sich meine Teilnahme nicht verwirklichen. Als jetzt die Einladung kam, sprach ich mit der Band, wir beschlossen, ein anderes Konzert zu verschieben und zum Pressefest zu fahren. Wir glauben, dort stimmen die Inhalte, und das Musikangebot ist großartig.

UZ: Die Quelle, aus der du schöpfst, ist Ulster Scots. Wo liegen die Unterschiede zu Irish Folk?

W. Drennan: Vereinfacht: Es ist eine Kreuzung aus irischer und schottischer Musik: Viel Tanzmusik ohne Gesang und Lieder, die oft die Geschichten der Menschen erzählen, die im 17. und 18. Jahrhundert aus Schottland nach Irland einwanderten. Heute ist das sehr vermischt. Ich saß mal mit der Geigerin der irischen Band „Altan“zusammen, wir spielten und stellten fest, dass es zu den irischen Tänzen ein Pendant in Ulster Scots gibt, Ton für Ton. Unsere Recherchen ergaben, dass im 18. Jahrhundert schottische Soldaten in Kerry stationiert waren. Sie brachten ihre Musik mit – die „Kerry Polkas“ sind also schottischen Ursprungs. Umgekehrt gibt es ähnliche Beispiele.

UZ: Du kommst mit einer jungen Harfenistin, die traditionell Irisch spielt. Wie geht das zusammen?

Willie Drennan: Die Harfe ist das filigranste aller Musikinstrumente und Dearbhla spielt sie auf hohem Niveau. Einfach ist das nicht, die feinen Details können bei unseren energiegeladenen Konzerten verlorengehen. Wir wissen das und arbeiten dran. In Dortmund gehen wir einen Schritt weiter: Dearbhla und ich haben eine irische Melodie gefunden, von der wir denken, sie kann auf dem lautesten Instrument, das ich kenne, der „Lambeg Drum“, und auf der zarten Harfe gemeinsam gespielt werden.

UZ: Was ist das, die „Lambeg Drum“?

Willie Drennan: Eine Riesentrommel alter Herkunft, es gab und gibt sie nur im Norden Irlands. In dem Örtchen Lambeg wurde sie im 19. Jahrhundert erstmals bei Konzerten eingesetzt. Diese Tradition habe ich weiterentwickelt. Die Lambeg Drum hat einen lauten, vollen Klang, sie fordert große Energie vom Spielenden – und gibt auch welche zurück. Manchmal tanze ich mit ihr.

UZ: Wir leben in gefährlichen Zeiten – Kriege, Fluchtbewegungen, wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, rassistisches Denken ist wieder „in“. Haben sich die Erben von Woodie Guthrie und Pete Seeger mit dem System arrangiert?

Willie Drennan: Ja, viele sind viel zu zahm. Als Musiker bist du heute oft auf Zuschüsse angewiesen, um zu leben. Da wird vorauseilender Gehorsam praktiziert: Nichts Rebellisches sagen, singen, schreiben. Viele verkaufen ihre künstlerische Freiheit. Die Hoffnung sind diejenigen, die um ihre Unabhängigkeit kämpfen.

UZ: Was erwartet ihr, die Band und du, vom UZ-Pressefest? Was können die Besucher von euch erwarten?

Willie Drennan: Wir wollen viele der Künstler kennenlernen, die dort auftreten. Das Publikum darf eine Band erwarten, die alles geben wird und von ihrem Repertoire her in Deutschland noch nicht zu erleben war.

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"„… sie verkaufen ihre Freiheit“", UZ vom 1. Juli 2016



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