„Niemand bringt uns zum Schweigen“

Das Gespräch führte Wera Richter

UZ: Grup Yorum spielt auf dem UZ-Pressefest in Dortmund. Was verbindet euch mit dem Fest der Kommunisten in Deutschland?

Grup Yorum: Festivals dieser Art sind für uns von großer Bedeutung. Sie sind ein Beitrag zur internationalen Solidarität und geben damit Revolutionären, dem Volk einen Hoffnungsschimmer. Für uns ist es auch sehr wichtig, dass immer mehr Menschen unsere Kunst kennenlernen. Deshalb kommen wir sehr gern nach Dortmund.

UZ: Ihr wehrt euch mit einer Kampagne gegen Visa- und Ausreiseverbote, mit denen eure Konzerte außerhalb der Türkei verhindert werden sollen.

Grup Yorum: Im April hatten wir ein Konzert in Paris. Nur zwei unserer Musiker erhielten ein Visum. Unsere restlichen Freunde konnten wegen eines Reiseverbots in die Schengen-Länder nicht zum Konzert. Wir haben es dann mit den beiden Musikern aus der Türkei und mit Grup-Yorum-Mitgliedern aus anderen Ländern veranstaltet. Es war ein sehr bedeutungsvolles und schönes Konzert.

Der deutsche Staat geht besonders aggressiv gegen uns vor. Er gibt den Ton in der EU an und andere EU-Länder folgen ihm. Deshalb protestieren wir im Rahmen unserer Kampagne regelmäßig vor dem deutschen Konsulat in Istanbul. Bei diesen Aktionen kommt es oft zu Festnahmen. Einem Mitglied von Grup Yorum wurde kürzlich das Handgelenk gebrochen.

UZ: Wie erklärt ihr diese besondere Aggressivität Deutschlands?

Grup Yorum: Das hat sicher auch mit unseren Konzerten gegen den Rassismus in Deutschland zu tun. Zwar ist allseits bekannt, was Nazis mithilfe des Bundesamts für Verfassungsschutz getan haben, aber es wird kaum drüber geredet. Weil wir über diese Dinge offen sprechen, werden wir angegriffen. Weil wir öffentlich sagen, dass Deutschland kein demokratischer Staat und rassistisch ist, wird uns mit Repression begegnet. Außerdem sind wir Sozialisten und werden auch deshalb vom deutschen Staat als Feinde betrachtet.

Ein weiterer Grund ist die enge Verbindung der Merkel-Regierung mit der AKP-Regierung. Auch in der Türkei werden unsere Konzerte verboten. Der türkische Staat versucht das Zusammenkommen von unserem Volk und uns zu verhindern. Wir sind gefährlich für den Staat, weil unsere Gedanken, unsere Lieder sein Fundament erschüttern und weil wir Zehntausende erreichen.

Wir sind aber sicher, dass die Tage der Repression vorübergehen. Wir werden sie hinter uns lassen und mit noch viel größeren Konzerten ein Zeichen setzen.

UZ: Zunächst wächst aber die Repression zum Beispiel gegen Journalisten. Wachsen damit auch Widerstand und Solidarität?

Grup Yorum: Seit den Gezi-Protesten 2013 steigert die AKP-Regierung die Unterdrückung gegen das Volk. Die Regierung hat Angst vor einer neuerlichen Protestwelle diesen Ausmaßes. Deshalb versucht sie sich mit härteren Gesetzen, Repressionen und auch Morden zu schützen. Das ist der Hintergrund für die Angriffe gegen Künstler und Journalisten. Es sollen keine Werke, die das Volk intellektuell fördern könnten, erschaffen werden. Die Ungerechtigkeiten sollen nicht von Künstlern, die von allen bewundert werden, kritisiert werden. Sie fürchten die große Wirkung auf das Volk.

Deshalb werden Künstler, die sich mit voller Kraft widersetzen, verleumdet und mit Hilfe falscher Anschuldigungen verklagt. Auf dieselbe Art und Weise werden auch Journalisten verfolgt. Die AKP begeht so große Verbrechen, dass sie die Wahrheit mit allen Mitteln unterdrücken muss, um nicht unterzugehen. Deshalb toleriert sie nicht einmal die kleinste Kritik.

Ob sich die Solidarität gegen all das verstärkt? Leider nicht. Die meisten Künstler bleiben passiv und ziehen sich zurück. Aber im Volk mehren sich die Gegenreaktionen. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit wird von Tag zu Tag größer.

UZ: Ist eure Einreise nach Deutschland zum Pressefest gefährdet?

Grup Yorum: Wir werden vielleicht Visaprobleme oder ähnliches haben. Aber wir sind eine ganz, ganz große Familie. Nichts und niemand kann uns zum Schweigen bringen. Zusammen mit unseren Freunden aus Istanbul, mit den Grup-Yorum- und Chor-Mitgliedern aus Europa werden wir am Pressefest teilnehmen, gemeinsam unsere Lieder singen und Halay tanzen.

Grup Yorum spielen am Samstag, dem 2. Juli 2016, um 19 Uhr auf dem UZ-Pressefest in Dortmund
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Über die Autorin

Wera Richter, geboren 1969, ist stellvertretende Parteivorsitzende der DKP und Chefredakteurin der UZ. Die journalistische Laufbahn begann in jungen Jahren mit einem Praktikum bei der UZ mit Rolf Priemer als Chefredakteur. Damals wurde die UZ wieder Wochenzeitung. Später arbeitete die gelernte Gärtnerin im Ressort Innenpolitik der Tageszeitung junge Welt. Auf dem 20. Parteitag der DKP 2013 wurde Wera Richter zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt und übernahm die Verantwortung für die Organisationspolitik. Ein Job, den sie in der SDAJ kennen und lieben gelernt hatte. 2020 löste sie Lars Mörking als UZ-Chefredakteur ab.

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"„Niemand bringt uns zum Schweigen“", UZ vom 27. Mai 2016



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