Neues Planetarium in Halle soll seinen Namen nicht führen

Sigmund Jähn zu „systemnah“?

Der Fliegerkosmonaut wurde nicht nur von Raumfahrtkollegen in Ost und West hoch geschätzt. Noch heute tragen Grundschulen in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und in Sachsen seinen Namen. In Chemnitz (Sachsen) gibt es das Kosmonautenzentrum „Sigmund Jähn“ für Kinder und Jugendliche, das diesen Namen seit DDR-Zeiten trägt. Ausstellungen, Filme und so weiter wurden ihm gewidmet. Doch In Halle sieht man das alles ganz anders.

Das alte Raumflug-Planetarium auf der Peißnitzinsel musste vor einigen Jahren wegen schweren Wasserschadens aufgegeben werden. 1978 eröffnet, trug es den Beinamen „Sigmund Jähn“. Es behielt diesen auch nach 1990. Und eigentlich war geplant, auch dem neuen Planetarium in Halle, das noch in diesem Jahr eröffnet werden soll, diesen Beinamen zu verleihen. Doch die CDU-Fraktion ist dagegen, zog und zieht alle Register, um die Namensgebung zu verhindern. Nicht wenige Hallenser Bürgerinnen und Bürger sehen das anders. Sie sind – wie eine Umfrage ergab – für den Beinamen.

Die Gründe der CDU? Ulrike Wünscher, CDU-Stadträtin, behauptet, dass Sigmund Jähn (1937 – 2019) seine Leistungen nur vollbringen konnte, weil er systemkonform gewesen sei. Birgit Neumann-Becker (CDU), die „Beauftragte des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“, meldete sich Ende des vergangenen Jahres zu Wort. Sie sorge sich, dass 30 Jahre nach der „Deutschen Einheit“ die SED- und NVA-Karriere von Sigmund Jähn einfach mal so weglassen werde. Unterstützung erhielt die CDU-Stadtratsfraktion von Stefan Wolle, „Wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums in Berlin“. Die Vertreter eines Vereins, des „Zeitgeschichte(n) e.V.“ in Halle, die die CDU-Stadtratsfraktion um eine „Stellungnahme“ gebeten hatte, gingen sogar noch weiter: „Unbestreitbar zeigt der Lebenslauf, dass Sigmund Jähn nicht nur ‚systemnah‘, sondern Teil des Unterdrückungssystems der DDR war, das er bereitwillig repräsentierte und dem er bis zum Schluss verbunden war. Bei aller Anerkennung für seine Leistung im All und Sympathie für den als zurückhaltend und bescheiden beschriebenen Menschen: Hier auf der Erde macht ihn das nicht zum Helden. Davon zeugen die Stationen vom Buchdrucker, Pionierleiter, Parteigruppenorganisator, Mitglied der SED-Parteileitung, Jagdflieger der NVA, Studium in Moskau mit Abschluss ‚Diplom-Militärwissenschaftler‘, Kosmonaut und Aufstieg in der NVA bis zum Generalmajor.“ Er hat also nicht nur die falsche politische Überzeugung gehabt, sondern auch ein falsches Leben in der DDR geführt? Wie billig, tendenziös und auch dumm ist das denn? Die Absicht ist klar.

Neben den Vertreterinnen und Vertretern der Linkspartei stehen auch die der SPD und die Fraktion „MitBürger“ im Stadtparlament hinter dem Antrag, dem neuen Planetarium den Beinamen „Sigmund Jähn“ zu verleihen. Aber außer der CDU distanzieren sich mittlerweile auch FDP und Grüne von dem einst gemeinsam gefassten Beschluss. Noch steht die abschließende Abstimmung im Stadtrat aus.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.



UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
Unsere Zeit