Die Bundeswehr wirbt mit Kriegsversehrten

Sporttherapie fürs Kanonenfutter

Von Melina Deymann

Werbung für die Bundeswehr gibt es überall: Im Arbeitsamt, im Klassenzimmer, auf der Gamescon, in U- und S-Bahnhöfen, beim Stadtfest mit eigenem Truck (daran hängt dann das Plakat „Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein darfst“, Demonstranten, die gegen sie sind, lässt die Bundeswehr dann aber doch lieber von der Polizei entfernen) und seit einiger Zeit auch auf dem YouTube-Kanal „Bundeswehr exklusiv“. Dort kann man Fallschirmspringer dabei bewundern, wie sie lernen, aus einem Flugzeug zu hüpfen (immer die Knie zusammen, sonst bricht man sich den Fuß), den Einsatz in Mali mitverfolgen oder zuschauen, wie in der Ausbildung zum Gebirgsjäger Iglus gebaut werden. Was man nicht zu sehen bekommt, ist der Grund, warum die Jungs und Mädels aus dem Flugzeug springen, sich durch Eis und Schnee quälen oder in Mali sind: um Krieg zu führen.

Bei der letzten Serie war das ein bisschen anders. „Unbesiegt. Die Kraft der Invictus Games“ begleitet das „deutsche Team“ nach Sydney, wo es mit 500 Soldatinnen und Soldaten aus verschiedenen Ländern an den von Prinz Harry initiierten Paralympics für Soldaten teilnimmt. Als Teil der Sporttherapie, der ihnen wieder ein Leben ermöglichen soll trotz amputierter Gliedmaßen, Einschränkungen durch Schuss- und Sprengverletzungen oder Posttraumatischer Belastungsstörung.Was sie laut Vorspann auszeichnet, sind „Wille. Mut. Glaube. Stärke. Ziele.“ Oberstabsarzt Dr. Lison hält fest, was die „Invictus Games“ seiner Ansicht nach sind, ein „Symbol für das, was passiert, wenn Menschen mit Respekt versuchen, Behinderung zu überwinden. Behinderung ist immer ein Ergebnis, nicht eine Diagnose.“ Was er nicht erwähnt, ist, dass die Behinderungen der Soldatinnen und Soldaten das Ergebnis von Kriegseinsätzen sind. In den zusätzlich zur Serie produzierten „Homestories“ über die fünf Protagonisten erfährt man ein bisschen mehr über Sprengverletzungen im Kosovo, Beschuss aus dem Hinterhalt in Afghanistan und darüber, wie es ist, im nicht näher benannten Ausland auf eine Mine zu treten. Aber natürlich sind das alles „Unfälle“. Teile des Gesichts weg – Sprengstoffunfall, Bein weg – Minenunfall, PTBS kein Unfall, das lag daran, dass Hauptfeldwebel Stefan verstümmelte Kinder sehen musste – natürlich nur in einem Krankenhaus. Aber jetzt kommt ja das Leben zurück, in der Sporttherapie und mit „Family and Friends“ bei den „Invictus Games“ in Australien. Die Bundeswehr kümmert sich um ihre Verletzten. Zumindest jetzt, Oberstabsfeldwebel Meik (der mit dem Gesicht) ist schon über 50 und hatte nicht so viel Glück, er hatte keinen Anspruch auf Entschädigung, weil er unter eine nicht näher benannte „Stichtagsregelung“ fiel – das ist heute besser geregelt, findet er. Auf den Gedanken, dass ihn der Einsatz für das deutsche Kapital das Gesicht gekostet hat, kommt er nicht.

Und so freuen sich alle nur über die tolle Unterstützung, die sie bei den Spielen bekommen. Selbst Uschi aus dem Kriegsministerium ist da und freut sich: „Das ist außergewöhnlich, das ist herausragend, das ist Gemeinschaftsgefühl.“ Das steht auf der Liste der zu vermittelnden Werbebotschaften offensichtlich ganz oben, das „Gemeinschaftsgefühl“. Es wird davon geschwärmt, dass sich „eine Verbundenheit mit anderen Nationen aufbaut“ und Hauptfeldwebel Andreas (einer der Trainer) schwärmt: „Es zählt überhaupt nicht, wo wir herkommen, wir sind hier alle Soldaten (…). Egal ob jemand aus der Ukraine oder sonst wo herkommt. Hier zählt nur: gemeinsam sind wir stark!“

Dafür sind Armeen ja bekannterweise da, um die Völkerfreundschaft zu fördern.

Am Ende kommt dann noch mal die übliche Heldenbotschaft. Teamleiter Stefan (der mit dem Blick auf die verstümmelten Kinder) sendet zum Ende der Serie „ganz liebe Grüße an alle Soldaten, die sich im Auslandseinsatz befinden und den Kopf dafür hinhalten, dass es uns weiterhin so gut geht“.

Und falls was schiefgeht beim Schützen der deutschen Interessen am Hindukusch oder anderswo, kann man danach ja Sporttherapie machen. Wenn das kein Grund ist, sich flugs zu bewerben.

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Sporttherapie fürs Kanonenfutter", UZ vom 23. November 2018



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