Warum es Steuern im Kapitalismus gibt

Staatstragend

Von RH

Ohne Steuern kein Staat. Ohne Staat keine Steuer. Karl Marx bezeichnete die Steuern als das „ökonomische Dasein des Staates“ (MEW 4, 348). Der Staat als gesellschaftliche Entität ist aus der Aufspaltung der Gesellschaft in Klassen hervorgegangen und trägt den Klassenwiderspruch in sich. Dabei ist er stets unmittelbarer Ausdruck politischer Macht und ist ein mit allen zu Rate stehenden Zwangsmitteln zur Durchsetzung der Interessen der jeweils Herrschenden ausgestattetes Instrument. Er wirkt durch seine innere und äußere Verwaltung, genauso wie durch seine Justiz, in alle gesellschaftlichen Bereiche. Der Staatsapparat ist zugleich Organisator des Regelwerks, das sich die herrschende Klasse zur Gewährung stabiler Marktbedingungen und damit zur Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft und Gesellschaft gibt – „er ist das Eingeständnis, dass diese Gesellschaft sich in einen unlösbaren Widerspruch mit sich selbst verwickelt, sich in unversöhnliche Gegensätze gespalten hat, die zu bannen sie ohnmächtig ist. Damit aber diese Gegensätze, Klassen mit widerstreitenden ökonomischen Interessen nicht sich und die Gesellschaft in fruchtlosem Kampf verzehren, ist eine scheinbar über der Gesellschaft stehende Macht nötig geworden, die den Konflikt dämpfen, innerhalb der Schranken der Ordnung halten soll“ (Engels, MEW 21, 165). Dem Staat fällt weiter die Aufgabe zu, die Bedingungen zur Reproduktion der Arbeitskraft sicherzustellen.

Idealerweise kostet der Staat den Kapitalisten nur wenig. Der Staatshaushalt speist sich aus Steuern, Abgaben und Gebühren. Zahlen dürfen im Wesentlichen jene, die die Produktionsmittel nicht besitzen; sie schenken dem Staat unfreiwillig die Geldmittel, die er zur Aufrechterhaltung der Verhältnisse braucht. Ja, richtig – schenken: Paragraf 3 der Abgabenordnung (AO) sagt es deutlich: „Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen“ auferlegt werden. Und wie das bei Geschenken so ist, darf auch der Staat damit tun, was er gerade für richtig hält – Paragraf 8 Satz 1 Haushaltsordnung: „Alle Einnahmen decken alle Ausgaben.“ So kommt es, dass der Ökosteuererlös faktisch die Renten finanziert und dass passionierte Raucher für den Ausbau der Nachrichtendienste zahlen. Die Welt schrieb am 20. September 2001: „Im Kampf gegen den Terrorismus greift die Bundesregierung durch. Mit Steuererhöhungen will Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die Maßnahmen zu Verbesserungen der inneren und äußeren Sicherheit finanzieren. Dafür sollen die Tabak- sowie die Versicherungsteuer erhöht werden.“ Überhaupt ist dem Erfindungsreichtum der Regierungen des Monopolkapitals keine Grenze gesetzt, wenn es darum geht, den Steuerbürgern den letzten Cent aus der Tasche zu ziehen: Von 1909 bis 1993 zog der Staat die „Glühbirnensteuer“ ein, in München und anderen Städten Bayerns zahlt der Kleingewerbetreibende die „Luftsteuer“, wenn die Markise oder das Ladenschild mehr als Handbreit in die Luft über dem Gehweg hineinragt. In Frankreich und Großbritannien füllt eine Steuer auf Softdrinks die leeren Kassen, Dänemark gab sich die Fettsteuer, im deutschen Steuerrecht sorgten jahrzehntelang die Getränkesteuer, Salz- und Zuckersteuer für verlässliche Einnahmen, ganz zu schweigen von den fünf verschiedenen Steuern, die für Alkoholika einschlägig sind.

Wenn es aber um die Besteuerung des Vermögens von Milliardären und Millionären geht, tritt in den Entwicklungsabteilungen der Steuerverwaltung die Schockstarre ein. Alles andere würde ja auch an den Grundfesten des bourgeoisen Finanzkonzepts rütteln.

Der deutsche Fiskus realisierte 2018 Steuereinnahmen in Höhe von insgesamt 776,3 Milliarden Euro. Hieran entfallen auf die Lohn-/Einkommensteuer 45,3 Prozent, die Umsatzsteuer 30,2 Prozent, Gewerbesteuer 7,2 Prozent und die Ökosteuer 5,3 Prozent. Die Aufteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden folgt einem ausgefeilten System. Man unterscheidet direkte Steuern, wie zum Beispiel die Lohnsteuer (direkte Abführung der Steuer beim Betroffenen), Verkehrssteuern, die bei der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr anfallen (Grundsteuer) und indirekte Steuern (wie zum Beispiel die Ökosteuer). Bei indirekten Steuern schuldet ein Dritter (Produzent oder Verkäufer einer Ware) die Steuer. Dieser preist den Steuerbetrag in den Verkaufspreis ein und lässt sich den Steueranteil an der Ware vom Verbraucher erstatten. Die indirekten Steuern (Umsatzsteuer als Form der generellen Steuer auf Verbrauch, die Alkohol- und Alkopopsteuern, Energiesteuer, Mineralölsteuer, Kaffeesteuer, Stromsteuer, Tabaksteuer) sowie verschiedene regional erhobene Verbrauchssteuern (zum Beispiel der „Wasserpfennig“ in Baden-Württemberg) summieren sich auf über 40 Prozent der jährlichen Steuereinnahmen.

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"Staatstragend", UZ vom 29. November 2019



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