Bei der Zerstörung Libyens geht es um Öl, nicht um das Leben von Zivilisten

Trümmer westlicher Machtpolitik

Von Manfred Ziegler

Libyen ist zerstört, doch der Kampf darum ist noch nicht beendet. Denn das Öl fließt weiter. Die Einnahmen aus dem Ölgeschäft Libyens beliefen sich 2018 auf 24 Milliarden Dollar, eine reiche Beute.

Eine Vielzahl von Milizen konkurriert gegeneinander und sammelt sich um zwei Zentren: die international anerkannte Regierung von Fayiz as-Sarradsch in der Hauptstadt Tripolis und die libysche nationale Armee unter General Chalifa Belqasim Haftar. Nun zeigen sich die G7-Staaten zutiefst besorgt. Denn es heißt, General Haftars Truppen seien zum Sturm auf Tripolis bereit. Die Liste der ausländischen Unterstützer der Milizen ist lang. Militärisch aktiv sind die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Ägypten. Politische Unterstützung und Ressourcen erhalten die kämpfenden Parteien noch von weiteren Ländern, darunter der Russischen Föderation und Saudi-Arabien.

Die Regierung as-Sarradsch hat internationale Unterstützung, aber wenig Einfluss vor Ort. General Haftar dagegen hatte 2014 begonnen, Truppen um sich zu scharen, darunter viele Soldaten der ehemaligen libyschen Armee. Er wird vor allem von Ägypten und Russland unterstützt. Mit seiner „Nationalarmee“ vertrieb er den IS und andere Milizen aus dem Osten des Landes. Seine Truppen kontrollieren mittlerweile viele Ölfelder und Verladestationen. Mit dem Aufmarsch vor Tripolis hat er seine Position für kommende Verhandlungen gestärkt.

Italien und Frankreich haben konkurrierende wirtschaftliche Interessen in Libyen. Offiziell unterstützt Frankreich die Regierung as-Sarradsch, sah aber Haftar zunehmend als Machtfaktor. Wie ein Hubschrauberabsturz offenbarte, sind auch französische Soldaten in Libyen im Einsatz. Italien dagegen unterstützt die Regierung as-Sarradsch – und ist ebenfalls mit Soldaten vor Ort vertreten.

Im UN-Sicherheitsrat hat Großbritannien eine Resolution vorgelegt, die einseitig die Truppen von Haftar auffordert, ihre militärischen Aktivitäten einzustellen. Die Russische Föderation hat diesen Entwurf abgelehnt. Es soll nicht noch einmal ein Debakel geben wie 2011, als Russland kein Veto gegen die Flugverbotszone einlegte.

Flugverbotszone und humanitäre Intervention – hinter diesen harmlosen Worten verbargen EU und NATO 2011 einen Angriffskrieg, der den libyschen Staat nachhaltig zerstörte. Viele Menschen mussten nach Tunesien fliehen, viele sind auf ausländische Hilfe angewiesen, die Lage von Flüchtlingen aus anderen Ländern ist katastrophal.

In Libyen ging es 2011 laut dem ehemaligen Grünen-Außenminister Fischer um unmittelbare europäische und deutsche Sicherheitsinteressen. Grünen-Politiker trommelten für die „Schutzverantwortung“ gegenüber den Aufständischen und ihre Basis nahm es gerne hin.

Am 17. März 2011 stimmten zehn Mitglieder des UN-Sicherheitsrates für eine Flugverbotszone, Deutschland enthielt sich. Die deutsche Regierung vertrat längerfristige Interessen an wirtschaftlicher Zusammenarbeit und Stabilität in der Region und darüber hinaus. Frankreich und Großbritannien dagegen waren die treibenden Kräfte bei der Zerstörung des Landes. Im Rahmen der NATO bekämpften sie die libysche Armee – noch über die Vorgaben der Resolution des UN-Sicherheitsrates hinaus.

Mittlerweile hat sich die Sicherheitslage in Libyen derartig verschlechtert, dass die USA selbst ihre Truppen vorübergehend abziehen. Die Zivilisten, um deren Schutz es 2011 angeblich ging, bleiben in den Trümmern der westlichen Machtpolitik zurück.

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"Trümmer westlicher Machtpolitik", UZ vom 12. April 2019



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