Und die Stadt schaut zu

Markus Bernhardt im Gespräch mit Sylvia Brennemann vom „Duisburger Netzwerk gegen rechts"

UZ: Die Polizei hat in der vergangenen Woche mehrere Wohnungen in der Rudolfstraße in Duisburg-Marxloh, die vor allem von Menschen aus Bulgarien und Rumänien bewohnt worden waren, geräumt. Sie waren bei der Räumung anwesend. Was haben Sie beobachtet?

Sylvia Brennemann engagiert sich im „Duisburger Netzwerk gegen rechts“ und der „Initiative Marxloher Nachbarn“

Sylvia Brennemann engagiert sich im „Duisburger Netzwerk gegen rechts“ und der „Initiative Marxloher Nachbarn“

Sylvia Brennemann: Ich habe einen unmenschlichen Polizeieinsatz erlebt, der sich gegen Menschen, darunter Familien mit Kindern, gerichtet hat. Die Beamten haben die Betroffenen überfallartig dazu genötigt, binnen weniger Stunden ihre Wohnungen zu räumen. Sie hatten so gut wie keine Chance, ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen. Aktuellen Informationen zufolge sind insgesamt 174 Menschen von der Räumung betroffen.

UZ: Medien haben jedoch berichtet, dass die Wohnungen in einem Zustand waren, der die Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner gefährdet hat. Teils soll aufgrund freiliegender Stromleitungen sogar Lebensgefahr bestanden haben. Wollen Sie über diesen Fakt einfach so hinwegsehen?

Sylvia Brennemann: Niemand sieht über irgendetwas hinweg. Die Situation in den meisten Wohnungen ist tatsächlich nur schwer erträglich. Natürlich darf niemand gezwungen sein, in Wohnungen leben zu müssen, in denen massive Probleme mit Schimmel oder freiliegenden Leitungen bestehen. Fast 200 Menschen mal eben mit einem Großaufgebot der Polizei auf die Straße zu setzen, kann aber nicht die Lösung dieses Problems sein.

UZ: Sondern?

Sylvia Brennemann: Anstatt Menschen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in die Wohnungslosigkeit zu treiben, hätte man Gespräche mit den Mieterinnen und Mietern führen und Lösungen finden können. Die Stadt Duisburg hat sich aber einmal mehr dafür entschieden, die Rechte der Mieter zu missachten und die Vermieter nicht in die Pflicht zu nehmen. Der Skandal ist nicht, dass Menschen in diesen unwürdigen Zuständen leben müssen, sondern dass das Geschäftsmodell der Vermieter darauf fußt, eine maximale Gewinnmarge zu erwirtschaften und nichts zu investieren. Hätte die Stadt Duisburg etwas für die Betroffenen tun wollen, wäre sie gegen die Mietwucherer und Ausbeuter vorgegangen. Eigentum verpflichtet, heißt es im Grundgesetz.

UZ: Würden Sie sich für Enteignungen aussprechen, wenn ich Sie richtig verstehe?

Sylvia Brennemann: Ja, wenn die Vermieter kein Einsehen haben, ist das meines Erachtens die richtige Option. Man darf nicht vergessen, dass die Vermieter im Vorfeld der Räumung von den Behörden angeschrieben worden sind. Reagiert hat meinen Informationen zufolge niemand.

UZ: Nun ist das Kind sprichwörtlich in den Brunnen gefallen. Was fordern Sie nun von der Stadt Duisburg?

Sylvia Brennemann: Wir fordern, dass die Stadt umgehend Ersatzwohnraum für die Betroffenen zur Verfügung stellt. Das ist in einer Stadt, wo es noch teilweise verhältnismäßig günstigen Wohnraum gibt, möglich. Dass die Stadt jedoch überhaupt den Willen hat, den Menschen zu helfen, bezweifle ich deutlich.

UZ: Warum?

Sylvia Brennemann: Weil seitens der Stadtverwaltung, allen voran vom Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD), in der Vergangenheit mehrfach massive Stimmungsmache gegen Roma betrieben wurde. Wenn ich sehe, wie in der Vergangenheit von SPD-Funktionären rassistisch gehetzt wurde und etwa beobachte, wie eine SPD-Bürgermeisterin in Dülmen einen 1.-Mai-Empfang des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) verbietet (siehe UZ vom 29. 3.), komme ich zu dem Schluss, dass nicht wenige in der SPD das Geschäft der politischen Rechten betreiben. Die Politik dieser Partei hat weder etwas mit sozialer noch mit demokratischer Politik zu tun. Die SPD tut alles ihr Mögliche, um auf dem Müllhaufen der Geschichte zu verschwinden. Und dort gehört sie, wenn ihre Funktionäre so weiter machen, auch hin.

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"Und die Stadt schaut zu", UZ vom 12. April 2019



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