Unsere Stimme ist nötig

Nina Hager zum „March for science“

Im Internet nimmt die Zahl jener Seiten zu, auf denen „alternative Fakten“ präsentiert werden. In den USA leugnet der Präsident den Klimawandel, wie hierzulande die AfD. Dort ist die finanzielle Förderung einiger Wissenschaftsbereiche bedroht, werden wissenschaftliche Daten gelöscht.“Alternativen“ zur Evolutionstheorie, kreationistische Behauptungen gelten in diesem Land ja schon lange als „hoffähig“. Dabei wird Entwicklungsdenken insgesamt für obsolet erklärt. Das dient als Begründung, um die Veränderbarkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse zu leugnen und jeden anzugreifen, der dazu steht.

„Wir brauchen Denker, keine Leugner“, „Wer nichts weiß, muss alles glauben“ – mit solchen und ähnlichen Losungen gingen weltweit am 22. April Hunderttausende auf die Straße. Der „March for Science“, an dem sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Studierende und auch Sympathisanten beteiligten, war eine Aktion gegen Wissenschaftsfeindlichkeit und „alternative Fakten“, zugleich aber mehr als ein „bloßes“ Bekenntnis zur „Freiheit wissenschaftlicher Forschung“.

Der Hauptredner in Berlin, der Physiker und TV-Kommentator Ranga Yogeshwar, hatte in einem Interview auf „heise online“ erklärt, wir bräuchten eine Wissenschaft, „die sich ihrer Verantwortung bewusst ist und Erkenntnis paart mit einem gesellschaftlichen Dialog. Wissenschaftler sollten sich aktiver zu Wort melden. Die Stimme der Wissenschaft muss in gesellschaftliche Entscheidungen stärker einfließen.“ Der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) erklärte sich solidarisch mit dem Marsch und betonte: „Wir begreifen uns als Teil des Engagements für demokratische Wissenschaft und Wahrhaftigkeit in Gegnerschaft zu den gesellschaftlich rechten Kräften.“

Kritiker bemängeln, dass während der Aktionen viel zu wenig von dieser Verantwortung wahrgenommen wurde, die prekäre Lage vieler Forschungsgebiete oder die bevorzugte Förderung anderer durch große Konzerne kaum zur Sprache kam, wie auch die gravierenden Mängel in der schulischen und universitären Ausbildung, die soziale Spaltung oder die zunehmende Umweltzerstörung durch große Konzerne. Es hätte um mehr gehen können und müssen. Richtig. Aber hier kann etwas neu in Bewegung kommen.

Aufklärung und Verteidigung der Wissenschaft tut Not. Auf einem der Plakate in Frankfurt konnte man lesen: „Dark Energy not dark Ages!“ („Dunkle Energie statt dunkle Zeiten!“) Aufklärung, das ist doch auch unser Thema, das braucht auch unsere Unterstützung sowie – als Anhänger des wissenschaftlichen Sozialismus – unseren aktiven und kritischen Beitrag.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Unsere Stimme ist nötig", UZ vom 5. Mai 2017



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