Türkische Truppen auf syrischem Boden

Unterstützung für Dschihadisten

Von Manfred Ziegler

Ganz zu Anfang des Krieges machte eine Stadt im syrischen Gouvernement Idlib Schlagzeilen: Dschisr asch Schughur. In einem Massaker, das damals beispiellos war, schlachteten Dschihadisten bis zu 250 Beamte und Mitglieder des syrischen Sicherheitsapparats ab. Die Leichen wurden in den Fluss Orontes geworfen.

Heute ist Idlib fast vollständig unter der Kontrolle verschiedener dschihadistischer Gruppen, vor allem der Hayat Tahrir al Sham. Erst vor kurzem wurde bei den Verhandlungen in Astana die letzte der Deeskalationszonen in Syrien zwischen der russischen Föderation und der türkischen Regierung vereinbart: Idlib. Die Ergebnisse der Verhandlungen von Astana sind ein Deal, vor allem zwischen Russland und der Türkei. Die Deeskalationszonen sind keine einseitige Aktion der Russischen Föderation, sie sind nur in Zusammenarbeit mit der Türkei und den von ihr kontrollierten Dschihadisten möglich. Heute fordert die Türkei ihren Anteil am Deal, d. h. die volle Kontrolle über Idlib – was die Russische Föderation durchaus akzeptiert und mit ihrer Luftwaffe unterstützt.

Türkische Truppen sind in Idlib einmarschiert. Vordergründig gilt ihr Einmarsch dem Kampf gegen den IS. Tatsächlich dienen die Truppen auch dem Versuch der türkischen Regierung, den kurdischen Einfluss im Norden Syriens zu beschränken. Die Zahl der türkischen Soldaten in Idlib ist bisher begrenzt. Sie werden diejenigen Dschihadisten unterstützen, die die Interessen der Türkei vertreten.

Von Anfang an war die Gefahr der Deeskalationszonen deutlich: Sie könnten dazu dienen, Syrien aufzuteilen. Vor der letzten Runde der Gespräche in Astana hatte der russische Außenminister erklärt, keine Seite wolle die Deeskalationszonen für immer aufrechterhalten und damit Enklaven innerhalb – oder am Rande – Syriens schaffen. Die türkische Regierung sieht das vielleicht anders. Die Türkei setzt sich in Idlib fest. Wird sie irgendwann wieder abziehen?

Der türkische Staatspräsident Erdogan erklärte dazu: „Wir haben nicht den Wunsch, dieses Land zu besetzen.“ Aber er erklärte auch: „Wir spielen unser eigenes Spiel. Wir sind nicht gebunden, uns nur zu verteidigen …“

Ein Deal ist ein Deal, und vorerst kann sich die Türkei als Garantiemacht darauf berufen, nur ihren Beitrag zur Errichtung der Deeskalationszonen zu leisten. Zumal die Beziehungen zwischen der Türkei und der Russischen Föderation selten so eng waren, wie zur Zeit. Die Verhandlungsergebnisse in Astana und der Verkauf der russischen Luftabwehrsystem S-400 an die Türkei sind zwei Beispiele dafür.

Die syrische Regierung lehnt das Vorgehen der türkischen Armee ab, betrachtet die Anwesenheit türkischer Truppen als illegal und fordert ihren Abzug. Jede Aktion, die nicht mit der syrischen Regierung abgesprochen ist, ist eine Aggression, erklärte der syrische Außenminister Moallem in Sotschi. Nicht nur ist der Einmarsch der türkischen Truppen ohne Absprache mit der syrischen Regierung eine Aggression. Womöglich unterstützen sie mit ihrem Vorgehen gerade die Dschihadisten, die das Massaker zu Beginn des Krieges begingen.

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"Unterstützung für Dschihadisten", UZ vom 20. Oktober 2017



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