Zum Bundeshaushalt und der Kritik der Gewerkschaften

Verteilungskämpfe

Große Teile der Arbeiterbewegung und der politischen Linken betreiben trotz Verarmung breiter Bevölkerungsschichten in Folge von Krieg und Krise eine „Burgfriedenspolitik 2.0“. Die „Wirtschaftswoche“ dagegen spricht Klartext: „Lindners Haushalt: Die nächsten Jahre werden blutig.“
Tatsächlich ist der 2024er Etat nur ein Vorgeschmack auf die kommenden Verteilungskämpfe. Angesichts einer Finanzpolitik, die sich in dem neoliberalen Dreiklang Schuldenbremse, Schwarze Null und Steuergeschenke für die großen Konzerne bewegt, wird es für die große Mehrheit hierzulande eng. Schon im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr wurde der 2022 eingeführte Pflegezuschuss von jährlich einer Milliarde Euro gestrichen. Die für eine bedarfsgerechte Kindergrundsicherung benötigten zusätzlichen zwölf Milliarden Euro ab 2025 werden vom Kabinett auf jämmerliche zwei Milliarden zusammengestrichen. Auf einen dringend benötigten Zuschuss für die Krankenkassen verzichten die Berliner Koalitionäre ganz.

Hohe Militärausgaben und die „Corona-Schulden“ in Verbindung mit einer restriktiven Finanzpolitik schränken die Spielräume für Soziales, Bildung und Gesundheit immer mehr ein.

Dies sind nur wenige Beispiele und Peanuts gegenüber dem, was uns ab 2028 erwartet. Der Bund wird dann beginnen, die in den Corona-Jahren angehäuften Sonderschulden abzustottern. Außerdem dürften die 100 Milliarden Euro aus dem „Sondervermögen Bundeswehr“ bis 2027 vollständig ausgegeben sein. Anschließend müssen gemäß 2-Prozent-Ziel dann pro Jahr gut 20 Milliarden Euro zusätzlich aus dem regulären Bundeshaushalt in den Wehr­etat gepumpt werden. Ab spätestens 2031 steht zusätzlich die Tilgung des 100-Milliarden-Euro-Kredits auf der Tagesordnung.

Gleichzeitig fordert die Wirtschaft angesichts der bevorstehenden Kämpfe um die Neuaufteilung der (digitalen) Märkte Subventionen in Form von staatlichen Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe. 10 Milliarden Euro für eine Chipfabrik in Magdeburg sind da nur der Anfang.

Angesichts dieser Entwicklungen ist die Kritik der Gewerkschaften am Haushaltsentwurf der Bundesregierung bitter nötig. Sie greift aber angesichts der exorbitanten Militärausgaben zu kurz. Wer vom Sozialabbau spricht, darf zu Aufrüstung, Krieg und Sanktionen nicht schweigen.

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"Verteilungskämpfe", UZ vom 21. Juli 2023



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