Langes Gezerre um Bundeshaushalt mit klarem Ergebnis: Aufrüstung!

Kriegshaushalt über alles

Als im Frühjahr vergangenen Jahres zeitgleich mit dem Ausrufen der „Zeitenwende“ durch Bundeskanzler Olaf Scholz der NATO-Krieg gegen Russland forciert wurde, schien der Bundeshaushalt davon unberührt. Kurzerhand wurden lange vorbereitete Pläne zur Aufrüstung zwar aus der Schublade geholt, aber mit einem als „Sondervermögen“ betitelten Kriegskredit von 100 Milliarden Euro finanziert. Der Kernhaushalt selbst behielt im Wesentlichen seine alte Struktur.

Das kann – zumal in Zeiten wirtschaftskriegsbedingter Zinsanstiege – auf Dauer auch ein noch reiches Land wie Deutschland nicht durchhalten. Für die Bundesregierung waren die zurückliegenden Tage „die Woche der Wahrheit“, wie die reaktionäre Tageszeitung „Die Welt“ am 3. Juli zur Recht titelte. In der Tat ist ein Bundeshaushalt ein in Zahlen gegossenes Regierungsprogramm, das weit aussagekräftiger ist als alle schönen Reden und hübsch gebundenen Koalitionsverträge zusammengenommen.

Die Kabinettsitzung, in der der Entwurf des Bundeshaushalts verabschiedet werden sollte, hat nach Redaktionsschluss der UZ stattgefunden. Aber die Beschlussvorlage des Finanzministers Christian Lindner hat eine klare Richtung: Das wird der erste ordentliche Kriegshaushalt der Bundesrepublik Deutschland. Er wird seine Spuren tief in die Finanzstruktur der Republik graben und hat schon jetzt alle sozialen Ankündigungen dieser Bundesregierung in den Papierkorb befördert.
Das Versprechen auf 400.000 neue Wohnungen pro Jahr, im Koalitionsvertrag niedergeschrieben, ist auf etwas mehr als 200.000 geschrumpft. Von den rund 50 Milliarden Euro, die laut Mieterbund erforderlich wären, um wenigstens mittelfristig den rasanten Anstieg der Mieten zu dämpfen, ist keine Rede mehr.

Die großspurig angekündigte „Kindergrundsicherung“, die laut der Familienministerin rund 12 Milliarden Euro erfordert, ist auf kümmerliche 2 Milliarden zurechtgestutzt worden und wird für Familien mit Kindern weitgehend wirkungslos versickern.

Die lauten Rufe der Kommunen und Länder nach Finanzhilfen, um die Flüchtlingsströme zu bewältigen, die durch die Politik aller NATO-Länder in Nordafrika und anderswo ausgelöst werden, stoßen auf taube Ohren. Genauso ihre dringenden Appelle, etwas zu tun gegen den beschleunigten Zerfall des öffentlichen Personennahverkehrs jenseits der Ballungszentren.

Der sozialdemokratische Gesundheitsminister verzichtete in den Gesprächsrunden, die der Kabinettsvorlage vorausgingen, großmütig auf eine Milliarde Euro an Bundeszuschüssen für die Pflegeversicherung. Sein Gesundheitsetat soll um 8,3 Milliarden Euro gekürzt werden.

Wo es langgeht, durfte einer der grünen Reservehoffnungsträger, Danyal Bayaz, Finanzminister in Baden-Württemberg, am 3. Juli in der „FAZ“ so formulieren: „Die Zeit der Gießkanne, die sich die Bundesrepublik im vergangenen Jahr mit Tankrabatt und Energiepauschale für alle geleistet hat, ist vorbei. Wir werden nicht mehr alles, was wir in Koalitionsverträge schreiben, hinbekommen. Da gibt es auch Zumutungen, die wir aussprechen müssen.“

Nur einer steht jenseits aller „Zumutungen“: Rüstungsminister Boris Pistorius. Er ist schon im Vorfeld als einziger von allen Kürzungsrunden ausgenommen worden. Sein Etat wächst um 1,7 Milliarden auf die Rekordsumme von 52 Milliarden Euro.

„Wenn Neues auftaucht, muss Altes schwinden“, stellte die „FAZ“ am 4. Juli schulterzuckend fest. Das Alte sind die sozialen Versprechen der Vergangenheit. Das Neue ist der Krieg gegen Russland – und China.

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"Kriegshaushalt über alles", UZ vom 7. Juli 2023



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