Nationaler Volkskongress tagt in Peking

Warnung vor neuem „Kalten Krieg“

Am vergangenen Freitag begann in Peking die Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses (NVK), die aufgrund des Covid-19-Ausbruchs um elf Wochen verschoben und auf acht Tage verkürzt worden war. Die Anzahl der Delegierten wurde jedoch nicht reduziert – alle der etwa 2.900 anwesenden Delegierten waren zuvor getestet worden.

In seinem Tätigkeitsbericht der Regierung zu Beginn der NVK-Jahrestagung ging der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie ein. Dabei kündigte er an, dass für die Regierung eine Stabilisierung der Beschäftigung und die Sicherung des Lebensunterhaltes der Bevölkerung Vorrang haben werde. Auch an dem Ziel, die bisher noch als arm eingestuften Landbewohner aus der Armut zu befreien, werde festgehalten. Ein konkretes Ziel für das Wirtschaftswachstum nannte der Ministerpräsident nicht. „Der Hauptgrund dafür liegt darin, dass die weltweite Epidemie und die Lage der Wirtschaft und des Handels sehr große Unwägbarkeiten in sich bergen“, so Li Keqiang. Um die Wirtschaft zu stabilisieren, plane die chinesische Regierung, die Inlandsnachfrage zu erweitern und „effiziente Investitionen“ aufzustocken.

Zwei Themen dominierten die Jahrestagung des NVK: Die Folgen der Pandemie und die zunehmende Konfrontation mit den USA.

In deutschen Medien sorgte vor allem die Gesetzesvorlage gegen Separatismus, Subversion, Terrorismus sowie ausländische Einmischung in Hongkong für Aufsehen. Dieses steht im Einklang mit dem „Basic Law“ Hongkongs, wird aber von Politikern wie dem Leiter der China-Delegation im EU-Parlament, Reinhard Bütikofer (Grüne), scharf kritisiert. Offenbar hat Bütikofer ein Problem damit, dass Hongkong ein Teil der Volksrepublik China ist. Die ständigen Angriffe auf die Souveränität Chinas und die ausländische Unterstützung von Separatisten in Hongkong sind es auch, die Peking dazu veranlassten, jetzt gesetzgeberisch aktiv zu werden.

Außenminister Wang Yi warnte in seiner Rede vor einem „neuen Kalten Krieg“: Die USA nutzten jede Gelegenheit, „China anzugreifen und zu verunglimpfen“, das sei gefährlich und gefährde den Weltfrieden. Auch der Sprecher des chinesischen Verteidigungsministeriums, Wu Qian, kritisierte die Konfrontationspolitik der USA scharf und forderte ein Ende der US-Waffenlieferungen an Taiwan. Kurz nach der Vereidigung von Tsai Ing-wen zur Präsidentin Taiwans am Mittwoch letzter Woche provozierte die US-Regierung mit der Ankündigung, 18 schwere US-Torpedos an Taiwan liefern zu wollen. Tsai Ing-wen ist Verfechterin einer Loslösung Taiwans von China und wird darin von den USA massiv unterstützt.

Die Liste der „Lügen und Verschwörungstheorien“ in den USA gegen China werde immer länger, wie Außenminister Wang Yi formulierte. Das Verhalten der EU sei leider nicht wesentlich anders. Die Corona-Krise zeige zwar, dass man als „umfassende strategische Partner“ agieren müsse, aber auch aus der EU würden Vorwürfe und Unterstellungen gegen China laut, so zum Beispiel, dass die Hilfe, die die Volksrepublik in der Corona-Krise leiste, lediglich der Profilierung diene.

Tatsächlich sieht es so aus, als ob die EU – allen voran Deutschland – dem Druck nachgibt und der US-Regierung in die Konfrontation mit der Volksrepublik folgt. Beispiel Huawei: Der chinesische Technologiekonzern sieht sich nach einer Ausweitung von US-Sanktionen in einem Überlebenskampf. Ziel der USA ist es, Huawei den Zugang zu Halbleitertechnologie abzuschneiden. In Folge dieses Angriffes auf den chinesischen Konzern wurden in Berlin Stimmen laut, die einen Ausschluss Huaweis vom Aufbau der deutschen 5G-Netze forderten, wie unter anderem „german-foreign-policy.com“ berichtet.

Angesichts der Härte des Vorgehens, der ständigen Provokationen, Sanktionen und Angriffe aus Washington gegen die Volksrepublik China ist die von Wang Yi gewählte Formulierung „Kalter Krieg“ nicht übertrieben. Die neuen Gesetzesvorhaben, die derzeit im Nationalen Volkskongress in Peking beschlossen werden, zeigen zudem, dass die Volksrepublik nicht mehr bereit ist, diese Angriffe unbeantwortet zu lassen. Auch im Verhältnis zwischen der VR China und den USA könnte sich die Corona-Krise also als Beschleuniger erweisen und für klarere Verhältnisse sorgen.
Friedlicher wird die Welt dadurch nicht.

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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"Warnung vor neuem „Kalten Krieg“", UZ vom 29. Mai 2020



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