In die SED wollte er nicht, zur NVA schon. Heute kandidiert Frank Ehrhardt für die DKP

Was für den Frieden tun

In die SED wollte er trotz mehrfacher Aufforderung nicht aufgenommen werden. „Die Schönfärberei hat mich abgestoßen“, sagt er. Heute steht Frank Ehrhardt für die DKP als Direktkandidat in Potsdam zur Wahl – die einzige Partei, die den DDR-Sozialismus verteidigt.

Wie passt das zusammen? Von Kollegen oder Bekannten hört er manchmal: „Du malst ja den Teufel an die Wand.“ Dann warnt er wieder davor, dass die Politik der Bundesregierung und ihrer Verbündeten dazu führen könnte, dass die NATO Krieg gegen Russland oder China führt. Die Kollegen glauben nicht, dass es in Mitteleuropa noch einmal Krieg geben könnte. Vielleicht wäre es bequemer, den Diskussionen aus dem Weg zu gehen – „aber das dürfen wir nicht“, sagt Ehrhardt, „das ist ja unsere Aufgabe, immer wieder den Finger daraufzulegen: Der Krieg wird vorbereitet, von der Nato und von der Bundesregierung“.

310402 ehrhardt - Was für den Frieden tun - Bundestagswahl, DKP - Politik

„Frieden mit Russland und China“ ist das zentrale Thema im Wahlkampf der DKP in Potsdam. In Ehrhardts Wahlkreis haben die großen Parteien prominente Kandidaten aufgestellt: Für SPD und Grüne treten deren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz und Annalena Baerbock an. Die CDU hat mit Saskia Ludwig eine besonders rechte Kandidatin aufgestellt. In unterschiedlichen Varianten betreiben alle diese Parteien eine aggressive Politik. Die DKP verteilt Aufkleber: „Wer Baerbock wählt, wählt Krieg“ – angelehnt ans Parteilogo der Grünen, die Blätter der Sonnenblume werden hier zu einem Fächer gelber Raketen. Und die Aufforderung: „Frieden mit Russland wählen: DKP“.

„Wer Scholz wählt oder Laschet oder die AfD, wählt auch nicht den Frieden“, sagt Ehrhardt, „aber die größte Gefahr geht von der grünen Partei aus – Baerbock will die Aufrüstung und will schärfere Sanktionen gegen Russland, das ist aktive Kriegsvorbereitung“. eine Kollegen sind keine Grün-Wähler. „Sie sehen nur: Die Grünen wollen Verbrennungsmotoren verbieten, wollen Fliegen teurer machen – da kann ich nur noch einmal im Jahr nach Malle fliegen … Das ist doch nicht das größte Problem.“

Kriegstreiber zu bekämpfen – das ist der Zweck, der Ehrhardt treibt, politisch aktiv zu sein. Zehn Jahre nach der Konterrevolution muss er feststellen, dass er nun in einem Land lebt, das einen Angriffskrieg führt: 1999 hatte die Bundeswehr sich daran beteiligt, Jugoslawien zu überfallen. Ehrhardt sah sich um, wie er politisch aktiv werden könnte. Das Ergebnis: 2001, am Weltfriedenstag, wurde er Mitglied der DKP.

Mit seiner Parteigruppe unterstützt er seit 2005 eine Bürgerinitiative und auch diese Arbeit hat damit zu tun, den Militarismus zu bekämpfen: Die Initiative steht „Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche“. Diese Kirche wurde 1945 beim großen britischen Luftangriff zerbombt, die Ruine blieb, bis sie 1968 gesprengt wurde. Bald nach der Konterrevolution begannen Regierungspolitiker, Preußen-Nostalgiker und Kirchenfunktionäre, den Wiederaufbau zu betreiben, seit 2017 wird gebaut. Ehrhardt erinnert daran, dass diese Kirche ein „Symbol des Militarismus“ ist – nicht erst, seit Hitler hier im März 1933 die Hand des Reichspräsidenten Hindenburg schüttelte und mit dieser Inszenierung zeigte, dass kaiserliche und faschistische Kriegstreiber zusammengehören. Hier ließ Preußen Trophäen ausstellen, die seine Truppen im Krieg erobert hatten, hier wollte der Kaiser zeigen, dass Gott auf Seiten der deutschen Eroberer stand.

Ehrhardt stellt fest, dass in vielen Schulen und Turnhallen in Potsdam Geld für staatliche Baumaßnahmen nützlich wäre. Allein der Turm der Garnisonkirche wird über 40 Millionen Euro kosten, er wird das höchste Gebäude in Potsdam sein. Das Ergebnis werde sein, die Potsdamer Innenstadt zu einem „Preußen-Disneyland“ zu machen, zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Touristen, nicht der Bewohner. Und Ehrhardt befürchtet, dass die Garnisonkirche ein „Wallfahrtsort“ für Faschisten und Militaristen werden könnte, wie sie es in der Weimarer Republik bereits war. „Die Wiederaufbaubemühungen haben ihre Wurzeln bei als rechtsextrem eingestuften ehemaligen Militärs“, macht die Bürgerinitiative klar.

Auch in der DDR stand für Ehrhardt die Frage, was er für den Frieden tun könne. Freunde von ihm, die zum Wehrdienst einberufen wurden, beschlossen, „für den Frieden“ den Dienst mit der Waffe zu verweigern. Sie dienten als Bausoldaten – und „wurden dort auch drangsaliert“, erzählt Ehrhardt. Er ließ sich davon nicht abhalten, mit solchen Anhängern der DDR-„Friedensbewegung“ befreundet zu sein. Aber um etwas für den Frieden zu tun, beschloss Ehrhardt 1982, nicht nur die 18 Monate Grundwehrdienst in der NVA zu leisten, sondern sich für drei Jahre als „Unteroffizier auf Zeit“ zu verpflichten. „Ich wollte nicht nur eine große Klappe haben und ich war der Meinung: Der Dienst in der NVA ist ein Dienst für den Frieden“, sagt Ehrhardt, „es ging darum, den Frieden mit der Waffe in der Hand zu verteidigen.“

Ehrhardts Vater war Arzt, er gehört zur Generation der Arbeiterkinder, die an der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät auf ihr Studium vorbereitet wurden – der Sozialismus ermöglichte ihnen eine Bildung, die für ihre Eltern nicht zugänglich war. Auch Ehrhardt selbst hat einen Aufstieg durch Bildung erlebt – unter ganz anderen Bedingungen: In den 80er Jahren arbeitete er als Elektromonteur im Energiekombinat Potsdam, dem regionalen Energieversorger, heute ist er Mitarbeiter in einem Planungsbüro. Kurz vor der Konterrevolution begann er ein Meisterstudium neben dem Beruf. „Das Volkseigentum wurde plötzlich zu Staatseigentum und das wurde von der Treuhand als Privateigentum verkauft.“ Sein Kombinat wurde Aktiengesellschaft, Ehrhardt stand vor der Frage, wie er die Arbeitslosigkeit vermeiden könnte. Er konnte sein Meisterstudium beenden und ein kaufmännisches Studium anschließen – „Das hat einen Haufen Geld gekostet, du musstest hellwach bleiben, wenn du abends bis zehn auf der Schulbank gesessen hast – nach der Arbeit, mit fast vierzig Jahren“, erzählt er. In der DDR war Bildung keine Privatsache. Ehrhardt ärgert sich, wenn gesagt wird, in der DDR sei „nicht alles schlecht“ gewesen – „Richtig ist doch: In der DDR war leider noch nicht alles gut.“

Einen Vorzug sieht Ehrhardt bei der DKP gegenüber der SED: „Bei uns tritt keiner aus Karrieregründen ein.“ Zu den Schwächen der SED habe gehört, dass viele Mitglied geworden seien, weil es einfacher war für den Beruf oder das Studium – Ehrhardt nennt sie „Portemonnaie-Kommunisten“. Zumindest dieses Problem hat die kleine und schwache DKP nicht: „Da habe ich Genossen an meiner Seite, die einem auch mal den Kopf waschen, mit denen ich mir gemeinsam eine Meinung erarbeite und mich bilde – das ist eine Gemeinschaft nicht nur aus dem Kopf heraus, sondern auch aus dem Herzen.“

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"Was für den Frieden tun", UZ vom 6. August 2021



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