Zum „Europawahlprogramm der Linkspartei“

Was man kann

In der Politik tut jeder, was er kann. Der Kanzler lässt sich aufs Gesicht fallen, die „feministische“ Außenministerin reist nach Texas, um sich die Sache mit den Frauenrechten noch einmal richtig erklären zu lassen. Und der Vorstand der Linkspartei stellt seinen Entwurf für ein „Europawahlprogramm“ vor.

Dass die „Linke“ Schwierigkeiten damit hat, die Europäische Union und den Kontinent Europa (auf dem bekanntlich keine gemeinsamen Wahlen stattfinden) auseinanderzuhalten – geschenkt! Wenn es dann aber heißt: „Die Europäische Union verkörpert für viele die Hoffnung auf Frieden und Freiheit“, wird die Sache ärgerlich. Selbst im reformistischen EU-Wahlprogramm von 2019 hatte sich die Partei noch zu der Feststellung durchgerungen, dass die „EU-Verträge keine taugliche Grundlage für ein soziales, demokratisches, ökologisches und friedliches Europa sind“. Hatte man damals noch etwas albern (aber immerhin!) einen „Neustart“ gefordert, so will der neue Programmentwurf nur noch „Veränderung“.

Wie die genau aussehen soll, darf sich jeder selbst aussuchen. Auf 85 Seiten wirft die Partei ihren umfangreichen ideologischen Gemischtwarenladen in die Waagschale. Da geht es um Sonnencremespender, eine Begrenzung des Gewichts von Autos, die Einführung einer „EU-Bürgergesetzgebung“ oder das Verbot von „Weltraumtourismus“. Wie es bei öko-sozialdemokratischen Agenturen zur Verschönerung des Kapitalismus üblich ist, finden sich darunter auch unterstützenswerte Ideen, sonst wäre es ja witzlos.

Für die Einleitung des Programms hat der Parteivorstand einen Entwurf vorgelegt, der sich redlich um Anschlussfähigkeit an den bürgerlichen Block bemüht. Auf eine kritische Analyse der EU, der NATO oder der Rolle des deutschen Imperialismus wird verzichtet. Lapidar heißt es, dass die Welt „unübersichtlicher und gefährlicher“ geworden sei. Zugleich können sich die Autoren kaum retten vor Verurteilungen von „Putins brutalem Angriff“. „Pandemie und Krieg haben gezeigt, wie anfällig der globale Kapitalismus“ ist, stellt der Parteivorstand fest, während im Leser der Verdacht keimt, dass der vorgelegte Entwurf als Reparaturprogramm für das gedacht ist, was es eigentlich zu überwinden gilt.

Nicht alles, was die Bundesregierung macht, ist schlecht. In manchen Fällen ist es besser, aufs Gesicht zu fallen oder nach Texas zu fliegen, wenn man sich profilieren möchte.

Über den Autor

Vincent Cziesla, Jahrgang 1988, ist seit dem Jahr 2023 Redakteur für das Ressort „Politik“. Der UZ ist er schon seit Jahren als Autor und Verfasser der „Kommunalpolitischen Kolumne“ verbunden. Während eines Praktikums lernte er die Arbeit in der Redaktion kennen und schätzen.

Cziesla ist Mitglied des Neusser Stadtrates und war von 2014 bis 2022 als hauptamtlicher Fraktionsgeschäftsführer der Linksfraktion in Neuss beschäftigt. Nebenberuflich arbeitet er in der Pflege und Betreuung von Menschen mit Behinderung.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Was man kann", UZ vom 15. September 2023



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Flagge.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit