Zwei Ostermarschbeiträge von Gewerkschaftern

Wer Frieden will …

Georg Heidel und Michael Quetting

Nicht nur in der Friedensbewegung allgemein, auch in den Gewerkschaften wird um Friedenspositionen gerungen. Wir dokumentieren an dieser Stelle die Redebeiträge von Georg Heidel und Michael Quetting beim Ostermarsch 2023 in Auszügen.

Rede von Georg Heidel in Berlin:

Ich gehöre zu Kollegen und Kolleginnen, die seit vielen Jahren in der Gewerkschaft aktiv sind. Und wir haben bereits im letzten Jahr eine kleine Initiative gestartet, die zum Ziel hatte, dass man deeskalierende Politik und Diplomatie betreiben müsse (…). Gewerkschaften haben ein Ziel und eine Methode im Kampf, und das ist Solidarität. Und die Solidarität darf nie national beschränkt sein und borniert sein schon gar nicht. Und wenn es darum geht, dass wir den Opfern dieses Krieges jetzt in Europa Solidarität und humane Hilfe zukommen lassen, dann heißt das eben, das gilt für beide Seiten der jeweiligen Gefechtslinie (…).

Und Solidarität bedeutet für uns (…), dass wir auch mit den Opfern von Kriegen solidarisch sein müssen, (…) die aus dem Süden, die aus Afrika hierherkommen als Folge einer zerstörerischen Politik derselben Kräfte, die sich heute hinstellen und meinen, sie könnten Demokratie und Menschenrechte in die Welt tragen. (…)

Leute, was ist denn dabei herausgekommen? Völlig zerstörte Infrastrukturen, Armut, Zersplitterung der Bevölkerung, gegeneinander aufgebrachte Gruppen. Das ist das Ergebnis der Leute, die sich heute hinstellen als moralische Instanz, um über diesen Krieg in der Ukraine zu entscheiden. (…)

Dieser Krieg hier in Europa findet vor dem Hintergrund statt, dass in vielen Ländern, sowohl in der EU als auch in der Ex-EU Großbritannien, Massenstreiks stattfinden und die Kolleginnen und Kollegen, Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen gegen Sozialabbau kämpfen. (…) Wir haben eine Welle von Streiks, die im Endergebnis dazu führen muss, dass die Folgen dieser miserablen Politik nicht immer auf die Klasse der Lohnabhängigen abgewälzt werden. Und dann kommen ganz Schlaue, die sagen: „Ja, Mensch, das sind ja ganz andere Töpfe, ganz andere Kassen.“

Ja, liebe Freundinnen und Freunde, dazu sage ich: Wo ein politischer Wille ist, da ist auch ein politischer Weg. Und wenn die innerhalb von 24 Stunden ein 100-Milliarden-Programm und anderes rausschießen, dann soll es nicht möglich sein, den klammen Kommunen die Mücken zu geben, damit sie ihre Leute anständig bezahlen können? Was soll das denn? (…)

Wer letzten Endes eine Welt in Frieden haben will, der muss dafür sorgen, dass diese Konkurrenzökonomie, die wir haben, dass diese Ausplünderung des Planeten, das Hetzen der Völker aufeinander aufhört. Und bei einem Wirtschaftssystem, das auf Konkurrenz und Rivalität beruht und in letzter Konsequenz in Blockbildungen mündet, wird es keinen dauerhaften Frieden geben können. Deshalb müssen die sozialen ökonomischen Verhältnisse umgewälzt werden. (…)

Rede von Michael Quetting in Saarbrücken:

Gesprochen wird von einer Zeitenwende. Nichts sei mehr wie früher. Wenn man „dem Russen“ nicht jetzt Einhalt gebiete, dann besetze er bald die baltischen Staaten und irgendwann auch uns. Unsere Freiheit ist in Gefahr, ähnlich wie beim Faschismus. Ich sehe Freunde, die der Ukraine ähnlich den Spanienkämpfern zur Hilfe eilen wollen.

Ich sehe grüne Bündnispartner, die sich plötzlich nicht mehr am Frackinggas stören, die den nötigen Umbau unserer Energiewirtschaft plötzlich verlangsamen wollen, als ob die Klimaziele dann noch erreichbar wären. Überhaupt, die Panzer fahren nicht mit Windkraft und Sonnenenergie.

Für Russland ist es wichtig, den Krieg nicht als solchen zu bezeichnen, auch widerspricht man der Behauptung, es handele sich um Völkerrechtsbruch. Putin bemüht gerne die Geschichte, um die Berechtigung eines eigenständigen Landes Ukraine anzuzweifeln. (…) Putin will Nazis in der Ukraine bekämpfen, die es dort fraglos gibt, und setzt dafür auch Wagner-Söldner ein, die sich ebenfalls gerne mit Nazisymbolen brüsten. (…)

Da wird die Ukraine zum Schlachtfeld gemacht, weil dieses Land eine Schlüsselrolle im eurasischen Kontinent innehat. Und so haben wir es dort mit einem Stellvertreterkrieg zu tun. Es geht um Einflusssphären hier auf diesem Kontinent. (…)

Wir befinden uns offenbar in einer Phase von einem unipolaren System zu einer multipolaren Weltordnung. Dagegen wehren sich die Herrschenden der USA, die ihre weltweite Führungsposition behalten wollen. Wir müssen lernen, mit diesen Entwicklungen umzugehen. Die Lage ist komplex und sehr gefährlich. Und so gilt meines Erachtens weiterhin die richtungsweisende Erkenntnis von Karl Liebknecht aus dem Jahre 1915: „Der Hauptfeind jedes Volkes steht in seinem eigenen Land!“

Liegt es nun im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, in einen Wirtschaftskrieg gegen Russland eingetreten zu sein, der uns vom Gas und Öl abschneidet, uns dazu zwingt, Bücklinge vor Autokraten in Katar und anderswo zu machen? Jetzt beziehen wir unter anderem aus den USA das umstrittene Frackinggas, ein historischer Tiefschlag für Klima- und Naturschutz. Ohne Skrupel werden nun Schäden für das Wattenmeer erwartet, da Chlor und Brom ins Meer eingeleitet werden, um die Rohrleitungen zu reinigen.

Liegt es im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, wenn unsere Lebensmittelpreise über 20 Prozent gestiegen sind, wenn Menschen ihre Energiepreise nicht mehr bezahlen können und wenn ihre produzierten Produkte wegen zu teurer Energie nicht mehr auf dem Weltmarkt in der gewünschten Menge veräußert werden können?

Liegt es im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, wenn in einer NATO-Übung der Einsatz von Atomwaffen auf dem Gebiet unseres Landes geprobt wird? Die Verteidigung des Bündnisgebietes erfolgt durch Atomwaffenabwurf auf unsere Heimat, im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“ können Atombomben auch von deutschen Tornados abgeworfen werden.

Mir fällt es schwer, da deutsche Interessen zu erkennen. Nebenbei kann ich auch nicht erkennen, dass bis auf die Rüstungskonzerne, die gerne auf Kriegswirtschaft umstellen wollen, die hier ansässigen Konzerne daran Interesse haben sollten. (…)

Ich kenne keine russische Mutter, die gerne ihren Sohn beerdigt. Ich kenne keinen ukrainischen Bauer, der mit Begeisterung seinen Tod herbeisehnt. Ich kenne auch in meinem Land keine Schwester und keinen Bruder meiner Klasse, der oder die sich gerne auf ein Schlachtfeld führen lässt.

Ich habe nichts am Hut mit den Oligarchen in Russland, die sich verbrecherisch am Volkseigentum bereichert haben (…). Ich habe auch nichts am Hut mit den Oligarchen in der Ukraine, die genauso verbrecherisch und korrupt an der Niederlage des Sozialismus bereichert haben.

Bei uns in der EU und in Deutschland, da nennt man diese Typen selten Oligarchen, sondern einfach nur Kapitalisten. Auch mit denen will ich nichts zu tun haben, jenen Kriegsgewinnlern, ob bei Rheinmetall oder sonstwo. Und mit den imperialistischen Vertretern der USA, jenen Monopolgruppen, die nun wirklich die ganze Welt als die allein Ihrige betrachtet, habe ich auch nichts am Hut. (…)

Es gibt zu Verhandlungen keine Alternativen. Es gibt keine andere Möglichkeit zum Frieden. (…) Deswegen muss der Rüstungsexport gestoppt werden. Schluss mit dem Wirtschaftskrieg. Keine Sonderschulden für die Bundeswehr. (…)

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"Wer Frieden will …", UZ vom 14. April 2023



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