Air Defender 2023 gestartet. Proteste der Friedensbewegung – ohrenbetäubendes Schweigen der Gewerkschaften

Wer stoppt die NATO?

Seit Montag donnern Kampfjets durch den Himmel. Sie trainieren die „Verteidigung“ Deutschlands über der Nordsee, über Süddeutschland und über dem Osten Deutschlands. Realitätsnah soll es sein, deshalb gibt es Tiefflüge in nur 330 Metern über dem Boden. Der ausgedachte Gegner aus dem Osten trägt den Fantasienamen „OCCASUS“. Das lateinische Wort lässt sich ebenso mit „Untergang“ oder „Verderben“ übersetzen als auch mit „Westen“. Klar ist, dass damit nur Russland und China gemeint sein können.

10.000 Soldatinnen oder Soldaten aus 25 NATO-Ländern und Japan nehmen mit rund 250 Flugzeugen teil. Das Manöver ist international, die Bundeswehr besteht darauf, dass es eine „deutsche Übung“ unter ihrer Führung sei. Seit 2018 habe man sich darauf vorbereitet. Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz, maßgeblich an der Planung beteiligt, sagt: „Jetzt zu zeigen, dass wir in der Lage sind, dieses Bündnis, dieses Land zu verteidigen, ist natürlich ein ganz wichtiges Signal.“ Dass in NATO-Kreisen Verteidigung und Abschreckung immer mit Provokation einhergehen, machen die weiteren Übungszonen deutlich: Die „offensive Luftverteidigung“ wird an den Grenzen Russlands über Estland und Rumänien geprobt. Anders als in der Vergangenheit verzichten Bundeswehr und NATO auf die Beobachter aus Russland – was die Gefahr einer Eskalation aufgrund von Fehleinschätzungen massiv erhöht.

Seit dem vergangen Wochenende protestiert die Friedensbewegung gegen das Manöver. Für das Wochenende mobilisiert sie zur zentralen Kundgebung in Brandenburg/Havel. Kundgebungen sind auch an weiteren Standorten der Kriegsübung angekündigt. Denn das Manöver ist nicht nur ein weiterer Bestandteil der Militarisierung Deutschlands und eine enorme Kriegsgefahr. Laut Angaben der Bundesregierung verursachen alleine die Flüge während der Übung über 35.000 Tonnen CO2. Das entspricht dem Jahresausstoß von über 8.000 älteren Gasheizungen von Einfamilienhäusern.

Die Kosten ließen sich im Voraus nicht beziffern, sagt die Bundeswehr. Da die Kosten einer Flugstunde (70.000 Euro) und der CO2-Ausstoß des Kampfflugzeugs „Eurofighter“ bekannt sind, lässt sich allein für die Flüge abschätzen: Fast eine Viertelmilliarde Euro werden dafür in den Himmel geblasen.

Auffällig ist das ohrenbetäubende Schweigen der Gewerkschaften zu dieser brandgefährlichen, umweltschädlichen und sauteuren Kriegsübung. Selbst auf Nachfragen gibt es keine Reaktion: UZ hatte DGB, IG Metall und ver.di gefragt, wie ihre Positionen zu den Auswirkungen des Manövers auf die Umwelt sind. Auch kein Kommentar zu den Kosten, die mit Sicherheit auf die Mehrheit abgewälzt werden. Schon gar nicht zur steigenden Kriegsgefahr.

Am Freitag besucht Bundeskanzler Olaf Scholz den Fliegerhorst Jagel in Schleswig-Holstein. Dort wird er lobende Worte für die als Übung getarnte Provokation finden. Aus dem Bundestag ist keine Initiative für Frieden zu erwarten. Was Deutschland bräuchte, wäre eine Regierung des Friedens. Durch den Stopp der Aufrüstung, die Beendigung der Auslandseinsätze und des Wirtschaftskriegs würde diese Regierung einen enormen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten. Gleichzeitig hätte sie Milliarden Euro für Soziales und dringend notwendige Investitionen zur Verfügung. Eine solche Regierung des Friedens muss von unten aufgebaut werden. Dazu braucht es die Gewerkschaften – auch wenn diese gerade am ideologischen Gängelband von Regierung und Standortlogik gehen. Um sie und in ihnen zu kämpfen, nicht nur um ihre Friedenspositionen, ist zentral. Ihre Millionen Mitglieder machen den Unterschied.

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Über den Autor

Björn Blach, geboren 1976, ist als freier Mitarbeiter seit 2019 für die Rubrik Theorie und Geschichte zuständig. Er gehörte 1997 zu den Absolventen der ersten, zwei-wöchigen Grundlagenschulung der DKP nach der Konterrevolution. In der Bundesgeschäftsführung der SDAJ leitete er die Bildungsarbeit. 2015 wurde er zum Bezirksvorsitzenden der DKP in Baden-Württemberg gewählt.

Hauptberuflich arbeitet er als Sozialpädagoge in der stationären Jugendhilfe.

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"Wer stoppt die NATO?", UZ vom 16. Juni 2023



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