Finanzminister fordert EU-Arbeitslosenversicherung

Wie Scholz die EU stabilisieren will

Von Nina Hager

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat in der vorigen Woche einen Plan für eine EU-Arbeitslosenversicherung vorgelegt. Der Vorstoß ist Teil einer deutsch-französischen Initiative für Maßnahmen zur Stabilisierung der Eurozone. Die Idee ist jedoch wahrlich nicht neu.

Bereits 2012 schlug das DIW Berlin, eines der größten – und ältesten – Wirtschaftsforschungsinstitute in der Bundesrepublik, deshalb vor, eine solche Versicherung und in diesem Zusammenhang entsprechende Transfermechanismen in der EU einzuführen. Allerdings: „Nicht geeignet wäre eine europäische Arbeitslosenversicherung hingegen, um strukturelle Divergenzen zwischen den Mitgliedsländern, wie sie sich derzeit in der Krise im Euroraum niederschlagen, zu beheben oder zu verhindern.“ „Zyklische Ungleichgewichte“ könnten so jedoch ausgeglichen werden, schätzte das DIW ein.

Sechs Jahre später möchte nun Olaf Scholz entsprechende Ideen umsetzen. Scholz hält eine bessere Absicherung für Arbeitslose in Krisenzeiten auch für wesentlich, um den weiteren Aufstieg von Rechtspopulisten in Europa zu stoppen. Bereits im Juni hatte er seinen Plan wie folgt beschrieben: Eine Rückversicherung für die Eurozone soll die nationalen Arbeitslosenversicherungen ergänzen. Ein Land, in dem viele Menschen ihren Job verlieren, könnte dann Kredite bei der gemeinsamen Rückversicherung der EU-Länder aufnehmen. Ist die Rezession vorüber, zahlt das Krisenland die Mittel zurück.

In der vorigen Woche konkretisierte er seine Vorschläge: Die Mitgliedstaaten, die mitmachen wollten, müssten bestimmte Mindeststandards einhalten. So müssten ihre Arbeitslosensysteme über den gesamten Konjunkturzyklus ausgeglichen sein. Der europäische Stabilisierungsfonds sollte sich zudem aus Beiträgen der teilnehmenden Länder speisen und nicht mit Krediten finanziert werden. Die Beiträge sollten abhängig von der Wirtschaftskraft sein. Deutschland würde damit den größten Beitrag zahlen müssen.

Der Vorschlag von Scholz stößt auf Ablehnung durch Unternehmerverbände und Politiker. Auch von ganz rechts. „Der Ansatz des Bundesfinanzministers würde zu ökonomischer und sozialer Unvernunft einladen. Er würde – zu Ende gedacht – in einer nicht gewünschten Transferunion münden“, konterte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA). Auch das Kanzleramt signalisierte Ablehnung.

Für die Gewerkschaften geht der Vorschlag von Scholz dagegen in die richtige Richtung. Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, forderte aber eine andere Finanzierung. Gegenüber der „Osnabrücker Zeitung“ erklärte sie: „Der Scholz-Vorschlag funktioniert nur, wenn auch die großen Konzerne zur Kasse gebeten werden.“

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Wie Scholz die EU stabilisieren will", UZ vom 26. Oktober 2018



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