Man könnte es für politische Provinzialität halten, was das Auswärtige Amt, das weder für Innenpolitik noch für Kultur- und Erinnerungsarbeit zuständig ist, als „Handlungsempfehlung“ an Kommunen, Landkreise und auch Länderregierungen herausgegeben hat. Sie sollen keine diplomatischen Vertreter der russischen Föderation oder von Belarus zu Feierlichkeiten anlässlich des 80. Jahrestages der militärischen Zerschlagung des NS-Regimes und der Befreiung einladen – und notfalls von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. Veranstaltungen, die von diesen diplomatischen Vertretungen organisiert werden, sollen nicht besucht werden. Angeblich wolle man sich mit dem Verbot der Einladung von Diplomaten der Russischen Föderation und Belarus „geschichtsrevisionistischer Verfälschung sowie russischer oder belorussischer Propaganda“ entgegenstellen.
Man kann es nur absurd nennen, dass diese Anweisung unter der Überschrift steht, eine „politische Instrumentalisierung des Gedenkens“ verhindern zu wollen. Ist es keine „politische Instrumentalisierung“, wenn die Bundesregierung in die Hoheit von Ländern und Kommunen eingreift, um ihr Geschichtsbild durchzusetzen?
Für die geplante Gedenkveranstaltung im Deutschen Bundestag wurde bereits öffentlich angekündigt, keine Vertreter der Russischen Föderation und von Belarus einzuladen, stattdessen wird man den Botschafter der Ukraine willkommen heißen. Der nun wieder hat kein Problem damit, faschistische Kollaborateure der Bandera-Einheiten als „Freiheitshelden“ zu würdigen.
Das Auswärtige Amt setzt damit die Linie fort, die seit 2022 das Erinnern in den Gedenkstätten der faschistischen Konzentrationslager prägt. Nach einem mit der Kulturbeauftragten der Bundesregierung, Claudia Roth, abgestimmten Kodex werden Vertreter Russlands und von Belarus als Repräsentanten der Nachfolgestaaten der Sowjetunion nicht mehr zu den Befreiungsfeierlichkeiten eingeladen. Obwohl im KZ Buchenwald sowjetische Häftlinge die größte ausländische Häftlingsgruppe bildeten oder im KZ Sachsenhausen und Ravensbrück die Rote Armee zusammen mit polnischen Einheiten beide Lager befreit haben, wird Vertretern der Nachfolgestaaten eine würdige Beteiligung verweigert. Wenn man weiß, wie viel Geld die Bundesregierung zur Organisation der Feiern zur Befreiung beisteuert, kann es nicht überraschen, wenn Gedenkstätten den „Regierungsempfehlungen“ folgen.
Ein positives Signal aus der bundesdeutschen Gesellschaft ist es dagegen, dass solche Vorgaben der Bundesregierung vor Ort anders gesehen werden. Mitte April wurde an die Schlacht um die Seelower Höhen erinnert, bei der etwa 33.000 sowjetische Soldaten ihr Leben opferten, um den Weg nach Berlin gegen den erbitterten Widerstand der faschistischen Truppen freizukämpfen. Der parteilose Bürgermeister von Seelow und der stellvertretende Landrat (CDU) ließen sich durch die „Handlungsempfehlungen“ nicht davon abhalten, gemeinsam mit dem Botschafter der Russischen Föderation und Diplomaten von Belarus Kränze niederzulegen. Diese Feierlichkeit wurde von vielen Menschen begleitet, denen es ebenfalls wichtig war, ein gemeinsames würdiges Zeichen zu setzen. Sicherlich werden noch weitere Kommunen und Gedenkorte bereit sein, Verantwortung für ein angemessenes Gedenken zu übernehmen – gemeinsam mit allen Befreiern und in Erinnerung an die Opfer, die die Rote Armee bei dieser Befreiung erbringen mussten. Für alle Antifaschisten ist dazu auch am 9. Mai in der Gedenkstätte im Treptower Park in Berlin eine passende Gelegenheit.
Unser Autor ist Generalsekretär der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR)