Über die Parteilichkeit der Behörden im Krieg

Zeit, sich zu wehren

Anti-Repressions-Kolumne

Die Berichterstattung in Zeiten des Krieges kann im Westen natürlich nicht „neutral“ sein. Tagtäglich werden Schlagzeilen produziert, in denen Russland neue Kriegsverbrechen vorgeworfen werden. Der rechte Putsch von 2014, der andauernde Beschuss des Donbass, die vielen Toten, das Massaker in Odessa werden dabei geflissentlich ignoriert. Genau wie die steigende Stationierung von NATO-Truppen an der Grenze zu Russland über viele Jahre. Was genau von den Kriegsverbrechen stimmt, können wir heute noch nicht wissen.

Wenn wir uns aber an die Lügen vom „neuen Auschwitz“ des ehemaligen Außenministers Joschka Fischer vor dem Angriffskrieg gegen Serbien erinnern, wissen wir, dass keine Lüge zu platt ist, wenn es darum geht, einen Krieg zu rechtfertigen. Das Erste, was im Krieg stirbt, ist die Wahrheit. Das wissen Friedensbewegte schon lange. Daher muss es uns mal wieder wachsam machen, wenn bestimmte Demonstrationen in Zeiten dieses Krieges kriminalisiert werden.

So fand am 10. April in Frankfurt am Main eine Demonstration statt, die der „russischen Community“ zugeordnet wird. Dazu hatte die Polizeibehörde natürlich was zu twittern: „Die Verwendung der Fahnen der ehemaligen Sowjetunion, der Autonomen Republik Krim, der Volksrepublik Donezk und der Volksrepublik Luhansk stellt im Kontext des heutigen Aufzuges ebenfalls den Anfangsverdacht einer Straftat dar.“

Ich möchte diese Demonstration insgesamt gar nicht verteidigen, weil ich nicht weiß, wer genau sie veranstaltet hat und weil ich gegen diesen wie jeden Krieg bin. Menschen leiden unter den militärischen Angriffen und den Sanktionen auf beiden Seiten. Aber die Begründung ist interessant. So schreibt die Frankfurter Polizei: „Das Zeigen dieser Flaggen erweckt den Eindruck eines ‚Triumphzuges‘ mit nationalistischem Charakter, durch den die territoriale Integrität der Ukraine in Abrede gestellt und der völkerrechtswidrige Angriffskrieg in einer den öffentlichen Frieden störenden Weise gebilligt wird.“ Ach so, das ist ja mal was ganz Neues.

Spätestens da wird eine Parteilichkeit der Behörden eröffnet, die ihnen doch angeblich gar nicht zusteht. Selbst wenn wir noch darüber diskutieren können, ob wir die Volksrepubliken anerkennen, warum sollte das Zeigen ihrer Flagge verboten werden? Und spätestens bei der sowjetischen Fahne wird es komplett absurd. Wer hat denn die Souveränität der Ukraine anerkannt, wenn nicht die Sowjetunion?

Interessant ist, dass die Flagge der ukrainischen Neonazis à la Asow-Bataillon nicht verboten ist. Verboten wird nur, was nicht in die Geostrategie des Westens passt. Dazu gehören zum Beispiel auch die Flaggen der kurdischen oder tamilischen Freiheitsbewegung. Das Asow-Bataillon hingegen kann morden und plündern und bekommt noch Waffen aus den NATO-Arsenalen.

Die Tatsache des Parteienverbots vom 19. März in der Ukraine gegen linke und liberale Parteien würde hingegen nur die Argumentation stören. Und die Grünen à la Hofreiter und Baerbock werden nicht müde, weiter schwere Waffen für das Selenski-Regime zu fordern. Sie wollen die Fortdauer des Krieges, um ihre Ziele im Sinne des deutschen Kapitals zu erreichen.

Es bleibt die Frage, was wir tun können. Allen Menschen, die vor dem Krieg fliehen, inklusive der Deserteure auf beiden Seiten muss unsere Solidarität gehören. Und wir müssen uns gegen die Kriminalisierung der Fahne der Sowjetunion wehren, welche die Herrschenden im blau-gelben Taumel gleich mit diskreditieren. Denn ihr Ziel ist, die Errungenschaften der sozialistischen Oktoberrevolution, die auf Frieden und Völkerverständigung ausgerichtet war, in einen historischen Misskredit zubringen. Damit dürfen sie nicht durchkommen. Denn gestern wie heute gelten die Worte von Rosa Luxemburg: „Die Dividenden steigen, die Proletarier fallen!“

Unser Autor ist Bundessprecher der Roten Hilfe e. V.

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"Zeit, sich zu wehren", UZ vom 29. April 2022



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