Rentenarchitekt erklärt „Riesterrente“ für gescheitert

Zu späte Einsicht

Vor 20 Jahren hob das sozialdemokratische Dreigestirn Gerhard Schröder, Walter Riester und Bernd Rürup das „Drei-Säulen-Modell“ der Rentenfinanzierung aus der Taufe. Die gesetzliche Altersvorsorge wurde zur „Basisrente“ gestutzt. Die privat – also letztlich vom Arbeitnehmer selbst – finanzierte betriebliche Altersversorgung und die private Altersvorsorge („Riesterrente“) sollten mit den Worten Gerhard Schröders „die Rente bezahlbar halten“. Der „Spiegel“ fasste am 12. Februar 2001 unter der Überschrift „Riesters Reformruine“ die Bedenken zusammen: „Bei der Rentenreform arbeitet die Regierung mit geschönten Prognosen und frisierten Zahlen. In Wahrheit werden die Beiträge weiter stark steigen, die Leistungen weiter sinken“.

Das Nachrichtenmagazin sollte Recht behalten: Aus dem Bundeshaushalt flossen 2020 über 110 Milliarden Euro Steuermittel in die Rentenkasse, um überhaupt die laufenden Auszahlungen zu gewährleisten. Die Zahl der Rentner, die sich zur Regelrente etwas hinzuverdienen müssen, stieg gegenüber 2005 um 547.000 auf 1,3 Millionen. Gleichzeitig liegt heute jede fünfte Rente unterhalb der Armutsgrenze. In den letzten 30 Jahren sank das Rentenniveau (vor Steuern) kontinuierlich von 55 Prozent auf heute 47 Prozent. Als wäre das nicht schon genug, wurde das Renteneintrittsalter von 65 Jahren auf 67 Jahre hochgesetzt. Aktuell beschäftigen sich „Expertenkommissionen“ mit dem Vorschlag der Bundesbank, den Rentenbeginn auf 70 Jahre hochzusetzen.

Ein jahrzehntelanger systematischer sozialer Kahlschlag für die 21 Millionen Rentenbezieher. Bernd Rürup, ein Architekt des Rentendesasters, stimmt nun selbst den Nachruf auf sein Rentenmodell an: Im „Handelsblatt“ schreibt er lapidar, der „Plan ist gescheitert“. Der Plan der großen Versicherungskonzerne wie BlackRock, Allianz und Ergo, die allein im Bereich Betriebsrenten 15,5 Millionen Verträge abgeschlossen haben, ist hingegen aufgegangen. Für sie als Kapitalsammelstellen wurde das „Drei-Säulen-Modell“ zum Milliardengeschäft, die Altersversorgung von Millionen fand sich als Spekulationsobjekt an den Börsen wieder. Durch die Anlage der Rentengelder auf dem internationalen Kapitalmarkt sind die Profite der Versicherungskonzerne wegen der herrschenden Niedrigzinsphase aktuell geschmälert. Die Corona-Pandemie hat die Niedrigzinsentwicklung noch beschleunigt. Das Risiko geben jetzt Allianz und Co. an die Rentner weiter. Ab 2021 werden nur noch zwischen 60 und 90 Prozent der Renteneinlagen garantiert.

Über den Autor

Ralf Hohmann (Jahrgang 1959) ist Rechtswissenschaftler.

Nach seinen Promotionen im Bereich Jura und in Philosophie arbeitete er im Bereich der Strafverteidigung, Anwaltsfortbildung und nahm Lehraufträge an Universitäten wahr.

Er schreibt seit Mai 2019 regelmäßig für die UZ.

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"Zu späte Einsicht", UZ vom 18. Dezember 2020



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