Zur „Präsidentschaftswahl“ in Taiwan

Aggressiv gegen China

Die „Präsidentschaftswahlen“ in Taiwan gestalteten sich zu einer klaren Sache für den Kandidaten der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP). Die oppositionellen Parteien Kuomintang (KMT) und Taiwanische Volkspartei (TPP) konnten sich nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten verständigen. Damit verschenkten sie den sicheren Wahlsieg. Lai Chin-te (DPP) kam auf 40,05 Prozent, Hou Yu-ih (KMT) auf 33,49 Prozent und Ko Wen-je (TPP) auf 26,46 Prozent. Die bislang regierende Tsai Ing-wen (DPP) konnte aus verfassungsrechtlichen Gründen nach zwei Legislaturperioden nicht mehr antreten. Der somit gewählte Präsident Lai kann nicht gerade behaupten, eine Mehrheit der Taiwanesen hinter sich zu haben.

„Vizepräsidentin“ soll die jetzige „Repräsentantin Taiwans bei den Vereinigten Staaten“, Hsiao Bi-khim, werden. Bei allen Lippenbekenntnissen zum Ein-China-Status wird von Washington und der von dort massiv beeinflussten DPP de facto so gehandelt, als sei die Insel ein unabhängiger Staat mit einer eigenen Außenpolitik. Dafür stehen Frau Hsiao, Frau Tsai und Herr Lai.

Die USA sind ihrem großen Ziel, dem Krieg gegen China, ein gutes Stück nähergekommen. Joseph Biden hatte nach Beginn des Gaza-Kriegs getönt, dass die USA drei Kriege gleichzeitig finanzieren und führen können. Nun, nach den Wahlen, will das Weiße Haus eine hochrangige Delegation nach Taiwan entsenden. Der Eklat um Frau Pelosi ist noch in bester Erinnerung. Es wird neues Öl ins Feuer gegossen. China, das sollte man nicht vergessen, ist für die US-Neokonservativen der eigentliche Gegner. Ob Lai angesichts der aktuellen geopolitischen Entwicklungen und der massiven ökonomischen Abhängigkeit vom Festland tatsächlich den Selenski Taiwans geben will, wird sich noch erweisen müssen.

Die westlichen Kriegsmedien haben den Wahlerfolg Lais als Sieg der Demokratie über die Autokratie gefeiert. Auch der Besuch der Bundesaußenministerin in Südostasien war entsprechend getaktet. China soll im Massenbewusstsein als finsterer Aggressor verankert werden. Ebenso wie schon „Putin“ und die vielen Hitler und Stalin vor ihm. Sollte es losgehen, braucht man zumindest ein korrektes Feindbild, wenn einem schon die Granaten fehlen.

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"Aggressiv gegen China", UZ vom 19. Januar 2024



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