Annexionshelfer

Sevim Dagdelen zur „Sicherheitszone“ in Syrien

Die neo-osmanische Außenpolitik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bleibt Programm. Der türkische Präsident will weitere Gebiete im Norden Syriens besetzen. Nach der Okkupation von Dscharabulus im Jahr 2016 und der Region Afrin 2018 soll von der türkischen Armee jetzt eine bis zu 32 Kilometer tiefe „Sicherheitszone“ östlich des Euphrat annektiert werden. Aktiv unterstützt wird der Despot von den USA. Erdogan will die kurdische Präsenz in der Region beenden. Im türkischen Sanliurfa, wichtige Durchgangsstation islamistischer Terrorkämpfer nach Syrien, haben die beiden NATO-Partner mittlerweile ein gemeinsames Kommandozentrum in Betrieb genommen. Erste türkisch-amerikanische Kampfhubschrauberflüge über der „Sicherheitszone“ verletzen bereits die Souveränität und territoriale Integrität Syriens. Die kurdischen Volksverteidigungseinheiten, YPG, ziehen sich aus der neuen US-türkischen Kontrollzone zurück. Die USA haben zudem eingewilligt, syrische Flüchtlinge aus der Türkei in die „Sicherheitszone“ zu bringen, um die Kurden zu marginalisieren. Eine türkische Bodenoffensive ist bereits angekündigt.

Bis heute weigern sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas im Gegensatz zu allen Fraktionen des Bundestages, die Besetzung von Afrin als völkerrechtswidrig zu verurteilen. Kein Wort aus dem Kanzleramt zu den „Leopard 2“-Panzern aus deutscher Produktion, die den Widerstand dort niedergewalzt haben, kein Wort des Chefdiplomaten Maas zur Massenvertreibung von Kurden, Jesiden und Christen aus der Region. Das Schweigen in Berlin kann Erdogan getrost als Rückendeckung für sein weiteres Vorgehen werten, noch dazu, da hierzulande all jene mit Kriminalisierung rechnen müssen, die bei einer Kundgebung etwa ein Fähnchen der YPG zeigen.

Erdogan bleibt einer der wichtigsten Waffenpartner der Bundesregierung, auch wenn dabei die Kurden zugrundegehen. In den ersten vier Monaten dieses Jahres hat der Despot Kriegswaffen im Wert von 184,1 Millionen Euro aus Deutschland erhalten. Die Türkei ist damit – wie schon im Vorjahr – mit großem Abstand Nummer eins der Empfängerländer. Hinzu kommen Kredithilfen und Hermes-Bürgschaften zur Absicherung von Geschäften. Und auch wenn Erdogan Völkerrecht bricht, Andersdenkende verfolgt, die Medien weiter gleichschaltet und demokratisch gewählte Bürgermeister der HDP absetzt und einsperrt – der Despot erhält weiter finanzielle Zuwendungen von der EU, 395 Millionen Euro Vorbeitrittsgelder gibt es allein in diesem Jahr. Und als würde all das an Erdogan-Hilfe noch nicht reichen, schmiedet Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier an einer großen deutsch-türkischen Allianz – für Künstliche Intelligenz.

Unsere Autorin ist Stellvertretende Vorsitzende und Abrüstungspolitische Sprecherin der Fraktion „Die Linke“ im Bundestag

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"Annexionshelfer", UZ vom 30. August 2019



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