Von Algorithmen und Unterhosen

Apropos

Zeit: In der Veltins-Arena zu Gelsenkirchen kann man live zuhören, wie vier greise Opas „I can‘t get no satisfaction“ (Ich bekomme einfach keine Befriedigung) in die Mikros röcheln. Könnte man sich drüber schlapp lachen. Kostet allerdings auf dem günstigsten Platz 200,- Euro. Teurer Witz. Alter.
Auch Alter: „Spiegel Plus“ bietet mir folgenden Artikel an: „Dem körperlichen Verfall gezielt entgegenwirken.“ Die lesen anscheinend meine Kolumnen. Oder irgendein Algorithmus erledigt das aufgrund meiner Google-Suchen. Heimlich mitlesen und so.

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Apropos heimlich mitlesen: Bei Facebook hatte ich mein Büchlein im Freundeskreis angeboten – mit dem Coverbild des roten Kehlchens. Nun offeriert mir die Plattform kurz später einen Onlinekurs für Aquarellillustrationen. Als ob ich nicht genug am schwindenen Po hätte! Das dazugehörige Bild: Ein aquarellisidiertes – oder wie das immer heißt – Rotkehlchen. Rotkehlchen! Ja nee, ist klar.

Apropos klar: Klar ist auch, dass alle Worte, die was mit „Russen“ zu tun haben, direkt stante pede ihre Daseinsberechtigung verlieren. KinderkaRUSSEll? Ist out. RUSSIAN Standard Wodka? Tschüss. „RUSSIA Today“? Zack, weg damit. Schlimm betroffen auch BoRUSSIA Dortmund. Zurzeit tagt panisch der Vorstand. Unter den neuen Vorschlägen: Boukraine Dortmund. Hmmm, toll.

Auch toll: Die Luxussanierung meines Wohnghettos schreitet voran. Nicht schnell, aber inkonsequent. Jetzt habe ich eine neue Klingel und – hah! – eine Gegensprechanlage. Im Erdgeschoss. Clever. Die Klingel aber posaunt, drückt so ein Horst darauf, die gleiche Tonabfolge wie damals der Pausengong in meiner verhassten Schule: Ding, Ding, Deng, Dong. Und zwar zweimal! Ich könnte brechen.

Ah, apropos brechen: Am Frankfurter Flughafen nimmt die Polizei Isabel Peralta fest, eine 19-jährige spanische Faschistin. Im Gepäck dabei hat das Mädel: Eine Hakenkreuzfahne, Hitlers „Mein Kampf“ und ein Buch aus der Propagandareihe „Bund Deutscher Mädel“. Das Nazi-It-Girl gab an, „die Gegenstände aus persönlichem Interesse an deutscher Geschichte und aufgrund ihres Studiums der Geschichtswissenschaften mitzuführen“. Jetzt möchte ich Wodka. Und zwar russischen! Gibt aber keinen mehr. Ärgerlich.

Ärgerlich auch, dass ich mehr Angst vor dem „Jaya the Cat-Konzert“ habe als Vorfreude. Dabei warte ich seit über zwei Jahren darauf! Aber das Problem meiner Füße ist immer noch nicht geklärt. Dazu gestern mit Freundin N. gechattet. N. war tanzen, mit zehn anderen im Dortmunder Nachtleben. Neun (!) davon liegen jetzt mit Corona flach beziehungsweise sind in Quarantäne. Aus Furcht, durch diesen Mist meinen Neurologentermin nicht einhalten zu können, sage ich das Konzert ab. Ich muss in diese verdammte Praxis!

Apropos Praxis: In Sachen Algorithmus mache ich seit einiger Zeit den Praxistest. Untergrabe die Logik der Suchmaschinen mit Unlogik. Suche jeden Tag zwei bis drei Absurditäten: „Pferdefleisch-Eiscreme, Furzwolle, Erotischer Karpfen Kalender, Sigmund-Freud-Actionfigur, gebrauchte Unterhosen, Eierlikörrezept Oma, Große-Wabenkröte-Geschmack, Klöppelmustervorlage, Freiheitskampf Wangerooge, Kunstrasen-Flip-Flops“. So diese Richtung. Bin gespannt auf die Kaufberatungen von Google und Co. Wenn jedenfalls irgendwo bei euch bald ein Rechnerzentrum Rauchzeichen gibt: Ich war’s.

Apropos ich war‘s: Das war‘s. Also für heute.

Pace!

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"Apropos", UZ vom 25. März 2022



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