Aufgabe erfüllt

Melina Deymann zu Frontex

„Jede Form von Gewalt an oder Missbrauch von Migranten und Flüchtlingen ist inakzeptabel“, tönte eine Sprecherin der EU-Kommission nach den Berichten des ARD-Magazins „Report München“, der britischen Zeitung „The Guardian“ sowie der Recherchewebsite „Correctiv“, die Gewaltanwendung der Agentur Frontex gegen Flüchtlinge aufgedeckt hatte.

Man wolle umgehend untersuchen, wie es dazu kommen konnte, dass Frontex-Beamte tatenlos zusahen, wie Grenzbeamte einzelner EU-Staaten Flüchtlinge misshandelten und „exzessiver Gewaltanwendung“ frönten. Dass die Frontex-Beamten selbst Hand angelegt haben – unvorstellbar für die EU. Frontex selbst weist die Vorwürfe zurück, bislang seien schließlich „keinerlei Beschwerden gegen Beamte eingereicht worden“.

Kein Wunder.

Frontex ist nicht nur mit materiellen Ressourcen und Manpower bis an die Zähne bewaffnet (von einem Budget von 6 Millionen Euro 2004 auf 1,6 Milliarden 2021, von 1500 Mann auf 10000), sondern auch so eingerichtet, dass sich Flüchtlinge möglichst wenig gegen ihre Behandlung wehren können.

Zwar wurde der Etat der „Grundrechtebeauftragten“ bei Frontex inzwischen aufgestockt, 2017 aber lag er noch deutlich unter den Ausgaben, die Frontex für Porto hatte. Beschwerden können außerdem nicht gegen Fehlverhalten im Rahmen von Frontex-Einsätzen eingereicht werden, sondern nur gegen das Verhalten einzelner Beamter; wenn diese in den gemeinsamen Missionen zur nationalen Grenzpolizei gehören, verläuft die Beschwerde im Sand.

Gegen die Mitarbeiter von EU-Mitgliedstaaten kann Klage erhoben werden, gegen die Staaten, die sie beschäftigen, kann man, zumindest in der Theorie, bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen. Gegen Frontex und seine Beamten nicht, Frontex ist keine Rechtsperson. Also gegen die EU? Nein, die ist der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht beigetreten, das Gericht in Strasbourg ist also nicht zuständig.

Noch nicht mal in der Theorie gibt es die Möglichkeit, sich rechtlich gegen das rechtswidrige Vorgehen von Frontex zu wehren.

So kann die Agentur unbehelligt der Aufgabe nachkommen, für die sie geschaffen wurde: Abschiebungen durchführen, Flüchtlinge an den Grenzen aufhalten, Menschenrechte missachten. „Jede Form von Gewalt an oder Missbrauch von Migranten und Flüchtlingen ist inakzeptabel.“ Außer sie dient dem Zweck, sie aus der EU zu halten.

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Aufgabe erfüllt", UZ vom 16. August 2019



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