Aus dem Ruder gelaufen

Ein Kommentar von Uli Brockmeyer

Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Das gilt auch für die Versuche, den Terror des sogenannten Islamischen Staates und anderer Gruppen zu beenden, die unter dem Zeichen religiösen Eifers nicht nur Syrien, sondern eine ganze Reihe weiterer Staaten zu zerstören drohen. Es ist aktenkundig, dass die Geheimdienste der USA mit Billigung der Regierung einen entscheidenden Anteil an der Entstehung und am Wachsen dieser Gruppen haben – schon lange vor Al Kaida in Afghanistan. Auch der IS hätte ohne die offene bis klammheimliche Unterstützung der USA nicht zu einer derartig bedrohlichen Organisation wachsen können.

Die Gründe für diese Entwicklungen liegen auf der Hand. Die CIA und ihre zuweilen noch mehr im Dunklen operierenden Partner haben immer dann, wenn sie nicht selbst ausreichend aktiv gegen missliebige Regierungen in aller Welt aktiv werden konnten, hilfswillige Gegner rekrutiert. Die wurden direkt oder auf verschlungenen Wegen indirekt mit Geld, Waffen, Ausbildern und Instruktionen versehen, damit sie das schmutzige Geschäft ausführen, das letztlich der Festigung der Positionen der USA und damit auch und vor allem dem Profitinteresse der Banken und Konzerne der USA diente und dient.

Im Fall des IS geht es eindeutig darum, das letzte laizistische System im Mittleren Osten langfristig zu zerstören, den im Westen verhassten Präsidenten Assad zu stürzen und die Grundlagen für die Errichtung einer Ordnung nach westlichem Muster zu schaffen. Das soll dann so ablaufen wie bereits im Sudan oder in Libyen erprobt, ungeachtet der Tatsache, dass dort Staatsgebilde entstanden, die schon gescheitert waren, bevor sie überhaupt Staat werden konnten.

Nicht erst seit Al Kaida sind Beispiele bekannt, dass die Kreaturen der CIA ihren Schöpfern aus dem Ruder laufen, gleich dem „Zauberlehrling“ von Goethe. Mit dem IS war es nicht anders, so dass sich die USA sogar gezwungen sahen, militärisch gegen die eigene Schöpfung vorzugehen. Das geschah und geschieht jedoch mit aller gebotenen Inkonsequenz, denn trotz bedrohlichen Auftretens, trotz bekannt gewordener Gräueltaten lässt sich der IS immer noch für den Sturz der Regierung Assad ausnutzen. Die Bombenangriffe der USA und der von ihnen geführten Koalition auf angebliche oder tatsächliche IS-Ziele haben daher bisher nichts erreicht, außer dass das Wüten der Extremisten sich noch verschärfte. Dennoch werden die Luftangriffe von den westlichen Regierungen und Medien gutgeheißen, während die in der vergangenen Woche begonnenen russischen Luftangriffe in den bürgerlichen Medien stets mit dem Attribut „umstritten“ versehen werden.

Umstritten sind diese Aktionen aus der Sicht des Westens deshalb, weil sie offenbar gezielter gegen den IS, seine Strukturen, Einrichtungen und Kommunikation gerichtet sind und somit der syrischen Armee helfen, am Boden gegen die Terroristen vorzugehen. Während über Angriffe der USA kaum oder wohlwollend berichtet wird, sind schon vor dem Start der ersten russischen Flugzeuge in einem Londoner Hinterstübchen Zahlen über angebliche zivile Opfer erfunden worden. Peinlich, dass nun die Meldungen über das Bombardement einer MSF-Klinik im afghanischen Kundus durch USA-Flugzeuge dazwischenkam …

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"Aus dem Ruder gelaufen", UZ vom 9. Oktober 2015



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