Thyssenkrupp beschließt Aufspaltung – Teilerfolg der Hedgefonds

Ausverkauf auf Raten

Von Willi Hendricks

Die Entscheidung des Konzernvorstandes von Thyssenkrupp für eine Zweiteilung des Unternehmens wird die Beschäftigten teuer zu stehen kommen. Alle Beteuerungen auf eine sichere und sorgenfreie Zukunft für sie werden der rauen Wirklichkeit nicht standhalten. Dass Konzernspitze, Betriebsrat und Gewerkschaft die Aufspaltung des Unternehmens lobpreisen, ist nichts anderes als Zweckoptimismus. Unruhe in den Betrieben ist unwillkommen. Wo immer Umstrukturierungen erfolgten, Standorte aufgegeben oder Produktionsabläufe zeitgemäßen Anforderungen angepasst wurden, mussten Belegschaften Federn lassen. Einsparung an Personal stand und steht an erster Stelle.

Ungeschminkt bezeichnete der seit September amtierende neue Konzernbetriebsratsvorsitzender von Thyssenkrupp, Dirk Sievers, die Situation des seit langem vor sich her taumelnden Flagschiffs der europäischen Stahlindustrie wie folgt: „Der Konzern ist in schwierigem Fahrwasser.“ Um ihr Vorhaben möglichst konfliktfrei vorantreiben zu können, holten die Großaktionäre und Investoren die IG Metall mit ins Boot. Die Verantwortung über Erfolg oder Misserfolg ist folglich gleichmäßig verteilt. Aufspaltung statt Zerschlagung wird von Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff als unabdingbar bezeichnet, um aus der schwelenden Krise herauszukommen.

Der Mischkonzern wird in zwei eigenständige Teile aufgespaltet. Zum einen als Thyssenkrupp Industrials AG; sie umfasst die Sparten Aufzüge, Autoteile und Industrieanlagebau mit insgesamt 90 000 Beschäftigten. Zum andern in Thyssenkrupp Materials AG, worin die Sparten Werkstoffhandel, Stahl und Marine eingegliedert werden sollen mit insgesamt 39 000 Beschäftigten. Aber jetzt schon werden Zweifel angemeldet an der Tragfähigkeit dieses Konstrukts. Aktionärsschützer Thomas Hechtfischer ist argwöhnisch, dass beide Thyssenkrupps allein besser zurechtkommen. Seiner Meinung nach löse die Teilung keines der operativen Probleme, die es bei der Marine und im Anlagebau gibt. Auch sind beträchtlich viele Stahlarbeiter argwöhnisch, ob die Operation gelingt, vor allem, ob sie beiden Körperschaftshälften gleich gut bekommt.

Das zeigte sich auch bei der Belegschaft von Thyssenkrupp Steel während der Betriebsversammlung mit 3 500 Teilnehmern am 4. Oktober in Duisburg. Die Verunsicherung bei den Kolleginnen und Kollegen besteht nach wie vor, obwohl Betriebsratsvorsitzender Tekin Nasikkol die Pläne des Konzerns als vielversprechend anpries. Seiner Auffassung nach hätte die Zerschlagung, wie sie von den Finanzinvestoren gefordert wird, den Ausverkauf von „werthaltigen Teilen“ des Konzerns bedeutet. „Genau das passiert jetzt nicht mehr“, glaubt Nasikkol. Damit vertritt er die Auffassung seines Kollegen Dirk Sievers, der in einem Zeitungsbericht zum Ausdruck brachte, dass er sich auf unruhige Zeiten einstelle, aber das mache ihn nicht nervös. Daran ändere auch Cevian oder Elliot nichts. Bald schon könnte sich herausstellen, dass die Betriebsräte einem großen Irrtum aufgesessen sind. Die Finanzhaie und Großaktionäre Cevian und Elliot werden ihre Forderung nach einem massiven Umbau von Thyssenkrupp nicht aufgeben. Die Aufspaltung ist ein Teilerfolg für die Investoren und darf durchaus als Vorstufe zur Zerschlagung des Konzerns aufgefasst werden. Erst einmal muss der Konzernvorstand beweisen, dass er mit seinem Konzept richtig liegt, und somit auch, dass eine Spaltung die Zerschlagung des Konzerns in seine Einzelteile verhindere. Vorerst üben Cevian und Elliot Zurückhaltung, sie befinden sich sozusagen in Lauerstellung.

Der in London ansässige Elliot- Manager Franck Tuil sagte dem „Manager Magazin“ Mitte September, Elliot sei gegen einen schnellen Verkauf der Aufzugssparte an den finnischen Wettbewerber Kone. Die Aufzugssparte zählt zu einer der gewinnträchtigsten des Unternehmens. Bereits im August hatte die Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather direkten Kontakt zum finnischen Großunternehmen für Aufzugsherstellung Kone, um künftige Geschäfte mit ihm auszuloten. Nun aber rät Elliot dazu, das Aufzugsgeschäft zunächst mit Zukäufen in Nordamerika und Asien „aufzuhübschen“. Erst dann sollte eine Fusion mit Kone in Erwägung gezogen werden. Der Ausverkauf kommt auf leisen Sohlen und wird in der Zerschlagung des Konzerns enden.

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"Ausverkauf auf Raten", UZ vom 12. Oktober 2018



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