Probleme bei der Umsetzung des Tarifergebnisses der IG Metall

Zeit statt Geld

Von chou

Anfang des Jahres konnte die IG Metall in der Tarifrunde auch Verbesserungen für das kommende Jahr durchsetzen. In den Metallbetrieben geht es zur Zeit um die Umsetzung dieser Vereinbarungen für 2019. Dabei macht hauptsächlich die Regelung, das tarifliche Zusatzentgelt in freie Tage umzuwandeln, etliche Probleme.

Das tarifliche Zusatzentgelt, auch T-ZUG genannt, beträgt 27,5 Prozent eines Monatsverdienstes und ist zusammen mit einem tarifdynamischen Festbetrag von 400 Euro die Tariferhöhung für 2019. Eine Tariferhöhung auf die Monatsentgelte wurde nicht vereinbart. Das T-ZUG kann aber auch in besonderen Fällen in acht freie Tage umgewandelt werden. Dies ist möglich für Beschäftigte in Schichtarbeit mit entsprechend vielen Betriebszugehörigkeits- und Schichtjahren, für Beschäftigte, die Angehörige pflegen oder mit Kindern bis zu acht Jahren in häuslicher Gemeinschaft leben. Kritik gibt es, weil Pflegende und Erziehende nur zwei Mal Geld in freie Tage umwandeln können, das Alter der Kinder mit bis zu acht Jahren doch sehr niedrig angesetzt ist und Teilzeitbeschäftigte keinen Anspruch auf die Wahloption „freie Tage“ haben. Doch Letztere sind es hauptsächlich, die Angehörige pflegen und Kinder erziehen.

Bei Bosch wurde betrieblich geregelt, dass auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Teilzeit die Möglichkeit haben, die freien Tage anstelle des Geldes zu wählen. Grundlage dafür ist eine Konzern-Betriebsvereinbarung, die Diskriminierung von Mitarbeitern in Teilzeit verbietet. Ein gutes Beispiel, das auch in anderen Betrieben durchgesetzt werden sollte.

Probleme gibt es, weil von den Anspruchsberechtigten ein sehr hoher Prozentsatz die acht freien Tage haben möchte, es dafür aber keinen Personalausgleich geben soll. Bei Daimler beantragten bereits über die Hälfte der deutschlandweit ca. 40 000 Anspruchsberechtigten die freien Tage und noch läuft die Antragsfrist. Vom Werk Sindelfingen (mit einem hohen Anteil von Schichtarbeitern) hört man, dass dort knapp 80 Prozent lieber Zeit statt Geld haben möchten. Sicher ist dies auch ein Indiz dafür, dass die Arbeitsdichte und der Stress so hoch sind, dass die Kolleginnen und Kollegen für jeden Tag dankbar sind, an dem sie nicht ausgepresst werden, sondern ihrer Gesundheit was Gutes tun können.

Der Personalvorstand von Daimler will aber kein zusätzliches Personal einstellen, obwohl ca. 800 Kolleginnen und Kollegen nötig wären, um die über 160 000 zusätzlichen freien Tage zu ersetzen. Personalvorstand Porth will Auswahlkriterien festlegen, um Anträge abzulehnen. „Dann haben sie nämlich ruckzuck Zoff und noch weniger Produktion“, so die Reaktion von IG-Metall-Betriebsrat Michael Clauss vom Daimler-Werk Untertürkheim in der Betriebszeitung „alternative“ vom 27. September. Auch andere Vorschläge wie Mehrarbeit hochfahren, Freischichten in Geld umwandeln oder die Anzahl der Beschäftigten mit 40 Wochenstunden zu erhöhen, werden in der „alternative“ abgelehnt. „Mehrarbeit machen wir in vielen Bereichen schon bis zur Unterkante Oberlippe. Freischichten verkaufen ist Verrat an der Arbeitszeitverkürzung und darf von uns nicht zugelassen werden. Malocher mit 40-Stunden-Woche wollen wir nicht.“ Eine deutliche Ansage!

Solche Probleme sind aus verschiedenen Betrieben zu hören. Es wird sicher noch kräftiger Druck der Belegschaften nötig sein, damit die Umsetzung des Tarifergebnisses auch im Interesse der Kollegen passiert und das nötige Personal eingestellt wird. Damit verlagert sich mal wieder eine Auseinandersetzung auf die betriebliche Ebene, die gewerkschaftlich hätte geführt werden müssen. Hätte der Tarifvertrag eindeutige Regelungen getroffen, die ausfallenden Tage in zusätzliches Personal umzuwandeln, wäre die Umsetzung klar. Dafür hätten die Kolleginnen und Kollegen sicher alle noch ’ne Schippe im Streik drauf gelegt. Die Stimmung war super und hätte das allemal hergegeben.

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"Zeit statt Geld", UZ vom 19. Oktober 2018



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