Außenministerin wandelt auf Spuren der ehemaligen Kolonialherren

Baerbock im Butterfass

Hätte die Bundesregierung funktionstüchtige Flugzeuge zur Verfügung, dann hätte Annalena Baerbock persönlich an ihr teilgenommen: an der Eröffnung der deutschen Botschaft in Suva, der Hauptstadt des pazifischen Inselstaates Fidschi, am 19. August. Die Außenministerin legt großen Wert darauf, im Pazifik Präsenz zu zeigen. Bereits im Sommer vergangenen Jahres bereiste sie Palau, führte dort politische Gespräche – und vergaß kürzlich in einem Interview nicht, eigens darauf hinzuweisen, sie sei „als erste deutsche Außenministerin seit 120 Jahren“ dort gewesen. Nun, sich in direkte Kontinuität zur damaligen Reichsregierung zu stellen, das ist kein Fettnäpfchen mehr, sondern eher ein Butterfass: Palau fristete damals ein bitteres Dasein als deutsche Kolonie. Baerbock, selbsterklärte Nachfolgerin der Kolonialherren, hatte sich am 13. August auf den Weg nach Australien gemacht und wollte später nach Fidschi weiterreisen, als ihr Flugzeug bei einem Zwischenstopp in Abu Dhabi den Geist aufgab. Die Ministerin flog heim, die Botschaft wurde ohne sie eröffnet.

Erst Palau, jetzt Fidschi: Die Bundesregierung sucht sich in einer Großregion festzusetzen, die immer heftiger in den Strudel der globalen Großmächterivalität gerät. Für die Vereinigten Staaten sind die vielen kleinen, weit verstreuten Pazifikinseln als – so die Formulierung von US-Strategen – „Trittsteine über den Pazifik“ unverzichtbar, auf denen Militärstützpunkte für künftige Operationen gegen China wie auch Logistikbasen für den Nachschub errichtet werden können. Für die Volksrepublik wäre Einfluss auf den Inseln hilfreich, um ebendies zu verhindern, aber auch, um sich strategisch wichtige Spielräume jenseits der ersten Inselkette (Japan – Taiwan – Philippinen) zu verschaffen, hinter der die USA die chinesische Marine einzusperren drohen. In den Machtkampf mischen sich längst europäische Mächte ein: Frankreich, das in zwei seiner Pazifikkolonien (Neukaledonien, Französisch-Polynesien) Militärstützpunkte eingerichtet hat; Britannien, das zu seinen pazifischen Ex-Kolonien teils enge Beziehungen unterhält; Australien, das den Pazifik als seinen „Hinterhof“ begreift. Kann ein machtgeiler, selbstverliebter Staat wie Deutschland da fernbleiben? Na eben.

Längst geht es hoch her mit den Machtkämpfen um Einfluss in der pazifischen Inselwelt. Die Regierung der Salomonen, Teil einer Art Inselrings rund 2.000 Kilometer vor der Küste Australiens, hat im Frühjahr 2022 ein Sicherheits- und im Juli 2023 ein Polizeiabkommen mit China geschlossen; das hat im Westen für heftige Empörung gesorgt. Die USA und Australien haben neue Einflussoffensiven in den pazifischen Inselstaaten gestartet und inzwischen auch erste Erfolge erzielt; die Regierung Vanuatus etwa, südlich der Salomonen im Inselring vor Australien gelegen, hat im Dezember 2022 einen Sicherheitsvertrag mit Canberra abgesegnet, der allerdings noch vom Parlament ratifiziert werden muss. Ob es dazu kommt, ist ungewiss: Vergangene Woche wurde der Premierminister per Misstrauensvotum gestürzt. Offizieller Grund: Das Abkommen beendet Vanuatus populäre Neutralität und stellt die Kooperation mit China in Frage. Die Wellen schlagen hoch.

Auch in Fidschi. Dort hatte die vorige Regierung schon 2011 ein Kooperationsabkommen in Polizeibelangen mit China geschlossen; die Volksrepublik investierte außerdem kräftig in den Ausbau der Infrastruktur. Ende 2022 kam es nach Wahlen zu einem Regierungswechsel; der neue Premierminister kündigte das Kooperationsabkommen mit China und leitete umgehend eine Polizeikooperation mit den USA ein. Inzwischen beginnt er zu wanken, erklärt, er habe das Abkommen mit China nicht gekündigt, sondern nur einer Revision unterworfen; die Perspektive, die Pazifikinseln könnten – wie im Zweiten Weltkrieg – Schauplatz furchtbarer Kämpfe werden, mache ihm Angst. Seit dem 19. August hat er nun auch noch eine deutsche Botschaft am Hals; laut Berichten soll zudem der deutsche Militärattaché in Neuseeland in Suva akkreditiert werden. Ein Militärattaché: Das zeigt recht offen, worum es Berlin im Pazifik letztlich geht.

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Über den Autor

Jörg Kronauer (Jahrgang 1968) ist Sozialwissenschaftler und lebt in London. Er ist Redakteur des Nachrichtenportals „german-foreign-policy.com“, freier Journalist und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Neofaschismus und deutsche Außenpolitik.

Kronauer veröffentlichte 2018 bei PapyRossa „Meinst Du, die Russen wollen Krieg? Russland, der Westen und der zweite Kalte Krieg“. Sein aktuelles Buch „Der Rivale“ analysiert die Rolle der VR China im internationalen Klassenkampf.

Für die UZ schreibt Kronauer eine monatlich erscheinende Kolumne mit dem Schwerpunkt deutsche Außen- bzw. Konfrontationspolitik gegen Russland und China.

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"Baerbock im Butterfass", UZ vom 1. September 2023



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