Baerbock als Hilfskeule der US-Geopolitik in Südostasien unterwegs

In suizidaler Mission

Die deutsche Außenministerin hatte beschlossen, Ostasien mit ihrem Besuch zu beglücken. Genauer, die Philippinen, Malaysia und Singapur. In dieser „Zukunftsregion“ bewege sich die Ministerin „zwischen gefährlichen Spannungen im Südchinesischen Meer und Chancen im wirtschaftlichen ‚Powerhouse‘ der Welt“, so das Auswärtige Amt in seiner Pressemitteilung. Mit dem Powerhouse ist nicht etwa China gemeint, sondern die „Zukunftsregion Indopazifik“ und da insbesondere die ASEAN-Staaten. Südostasien strotze „vor wirtschaftlicher Dynamik“. Leider gebe es „gefährliche Spannungen im Südchinesischen Meer“. China träte „zunehmend offensiver auf“ und stelle „Ansprüche auf umfangreiche Seegebiete, teils bis vor die Küsten der anderen Anrainerländer“. Und das, obwohl „das Internationale Schiedsgericht in Den Haag“ entschieden habe, „dass solche Ansprüche nicht vom Völkerrecht gedeckt“ seien. Gott sei Dank ist da Frau Baerbock herbeigeeilt, möchte man ergänzen, um den armen Südostasiaten den Weg aus diesen Bedrohungen zu weisen.

Wir wollen uns nicht in den Details der ziemlich komplizierten Grenzziehung im Südchinesischen Meer verheddern. Hierzu wäre einiges zu bemerken. Die Frage ist allerdings: Was in aller Welt geht das die deutsche Außenministerin an? Wie würde Deutschland reagieren, wenn der chinesische Außenminister europäische Grenzen in Frage stellen oder die Unabhängigkeit des Baskenlandes oder Südtirols fordern würde? Entsprechend hat auch das chinesische Außenamt reagiert. Dass Probleme friedlich im Dialog gelöst werden können, liegt deutlich außerhalb der Wahrnehmungsmöglichkeiten deutscher Außenpolitik, insbesondere der deutschen Außenministerin.

Die Anrainer des Südchinesischen Meeres haben über Jahrzehnte friedlich mit den historisch begründeten chinesischen Ansprüchen der „Nine-Dash Line“ gelebt, bis Washington und seine europäischen Vasallen in der Verschärfung der Grenzdispute vor Chinas Haustür die Möglichkeit erblickt haben, mit Hilfe der südostasiatischen „Bündnispartner“ den herbeigesehnten Krieg gegen die Volksrepublik vom Zaun brechen zu können. Dies würde überdies die Möglichkeit schaffen, US-Militärbasen nicht nur auf den Philippinen, sondern unmittelbar vor Chinas Haustür zu platzieren. Die strategische Problematik, die zum Ukraine-Konflikt geführt hat, würde sich im südchinesischen Meer erneut produzieren lassen. Es darf angenommen werden, dass – gesetzt den Fall, das Unternehmen hätte Erfolg – Peking kaum anders als Moskau reagieren dürfte.

Allerdings ist die Volksrepublik eine deutlich gewichtigere Veranstaltung als die Russische Föderation. Ging es beim Krieg gegen Letztere „nur“ um den Selbstausschluss vom russischen Markt und von russischer Fossilenergie, so repräsentiert China den weltweit mit Abstand größten Markt, ein Drittel des globalen Industriepotentials, zahlreiche Global Champions, auch im Technologie-Sektor, und für moderne Produkte unabdingbar notwendige Rohstoffvorräte. China ist für zahlreiche deutsche Konzerne, selbst für mittelständische Unternehmen, der Hauptabsatzmarkt. Ohne die Volksrepublik könnten viele von ihnen Insolvenz anmelden. Hier einen ähnlichen Crashkurs fahren zu wollen, wie es gegen Russland geschehen ist, wäre geradezu selbstmörderisch. Erstaunlicherweise haben Kräfte in Berlin und Brüssel das Sagen, die vom Krieg einfach nicht genug bekommen können, wie Annalena Baerbock, Ursula von der Leyen, Marie-Agnes Strack-Zimmerman oder Josep Borrell. Hier lebt man offensichtlich in der Phantasiewelt, noch jeden Gegner auf der Welt mit unserer formidablen Waffen niederstrecken und „ruinieren“ zu können. So wie es ja schon in Afghanistan, in der Ukraine, in Syrien, in Mali, im Roten Meer und so weiter so wunderbar gelungen ist. Baerbock, die Ampel insgesamt, ist offensichtlich wild entschlossen, den Kriegskurs Washingtons weiter nach Kräften, konkret: mit ein paar unbedeutenden Fregatten, zu unterstützen, auch wenn das bedeuten kann, die ohnehin schwer angeschlagene Wirtschaft Deutschlands und der EU endgültig vor die Wand zu fahren.

Man muss an die Szene im Weißen Haus erinnern, weil sie so symptomatisch war. US-Präsident Joseph Biden erklärt im Beisein des Bundeskanzlers, dass die US-Führung gewillt und in der Lage sei, mit Nord Stream Schluss zu machen. Olaf Scholz daraufhin auf Nachfrage: „Wir machen alles gemeinsam.“ Die besinnungslose Nibelungentreue des deutschen Polit-Establishments, das auch noch den eigenen Nieder- und Untergang bejubelt, ist atemberaubend. Es erinnert immer an den dreisten kleinen Jungen in kurzen Hosen, der das Maul so weit aufreißt, wie er nur kann, weil hinter ihm sein großer Bruder steht. Nur ist der große Bruder längst so klapprig geworden, dass er keine Lust mehr hat, den kleinen Schreihals rauszuhauen.

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"In suizidaler Mission", UZ vom 19. Januar 2024



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