Bauernschlau

Die Ampel-Regierung kann von Glück reden, dass ihr Agieren auf den Großteil der Bevölkerung schlicht trottelig wirkt – Dummheit ist unverfänglich. Dieser Eindruck kommt nicht von ungefähr. Die Haken, die die Ampel allein im letzten Monat geschlagen hat, sind beachtlich.

Am 16. November beschloss der Bundestag die Verlängerung der Preisbremsen für Strom- und Gaspreise bis zum März 2024. Zwölf Tage später kam die große Wende. Bundeskanzler Scholz (SPD) erklärte, dass die Preisbremsen schon zum Jahresende 2023 beendet werden. Zwar seien die Marktpreise „durch die Decke“ gegangen. Und noch immer sei „Gas (…) mehr als doppelt so teuer wie zu Beginn der Energiekrise“. Die Preisbremsen würden aber dennoch vorzeitig abgeschafft, denn „überall in Deutschland (sind) wieder Strom- und Gastarife verfügbar, die zwar deutlich höher liegen als vor der Krise, aber meist unterhalb der Obergrenzen“ für die Preisbremsen. Deshalb würde es niemandem auffallen, wenn sie weg sind.

Es war keine Dummheit, die dem Kanzler einfach so rausgerutscht ist. Jemand hatte das so aufgeschrieben und einen Betrug vorbereitet. Denn auch wenn günstigere Tarife „verfügbar“ sind: Unzählige deutsche Haushalte hängen in Verträgen, die viel teurer sind. Die Preisbremsen waren für die Energiekonzerne wie ein „All you can eat“-Buffet: Was der Kunde selbst nicht zahlen konnte, übernahm der Staat. Die Preise erreichten Rekordhöhen – der Schmerz für die Verbraucher stand noch nicht im Verhältnis zu den gesteigerten Gewinnen der Konzerne. Das wird jetzt nachgeholt, wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft ermittelt hat. 2023 sei ein „Rekordjahr“ mit den höchsten Strompreisen aller Zeiten und: Wer einen teuren Vertrag habe, kommt da nicht einfach raus, nur weil die Preisbremsen wegfallen.

Diese Haushalte dürfen ab Januar die Mondpreise bezahlen, die bisher von der Allgemeinheit getragen wurden, und sich dabei auch noch als „Einzelfälle“ fühlen – schließlich sagt der Kanzler das ja auch. Für die Energiekonzerne geht der Reibach weiter und den Volten und Verwirrungen zum Dank bleiben Proteste bislang aus. Dumm ist anders.

Über den Autor

Vincent Cziesla, Jahrgang 1988, ist seit dem Jahr 2023 Redakteur für das Ressort „Politik“. Der UZ ist er schon seit Jahren als Autor und Verfasser der „Kommunalpolitischen Kolumne“ verbunden. Während eines Praktikums lernte er die Arbeit in der Redaktion kennen und schätzen.

Cziesla ist Mitglied des Neusser Stadtrates und war von 2014 bis 2022 als hauptamtlicher Fraktionsgeschäftsführer der Linksfraktion in Neuss beschäftigt. Nebenberuflich arbeitet er in der Pflege und Betreuung von Menschen mit Behinderung.

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"Bauernschlau", UZ vom 15. Dezember 2023



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