Recht auf Arbeitserlaubnis erstreikt

Black Power in Paris

Richard Obst

Am 17. Oktober traten im Großraum Paris knapp 700 überwiegend afrikanische Arbeitsmigrantinnen und -migranten in den Streik. Davon betroffen waren 33 verschiedene Unternehmen vorwiegend des Baus, der Reinigung und der Abfallwirtschaft. Die Forderung der Streikenden: Reguläre Arbeitserlaubnis durch den entsprechenden Antrag ihrer Unternehmer bei der Präfektur.

Ohne diese Arbeitserlaubnis zwingen die Unternehmen die Menschen mit der Drohung der Kündigung, auf ihre Rechte zu verzichten: keine geregelten begrenzten Arbeitszeiten, weder Bezahlung von Mehrarbeit noch Arbeitsschutz, dafür die unwürdigsten Arbeitsbedingungen. Wie überall in der kapitalistischen Welt verrichten die Arbeitsmigrantinnen und -migranten die schwersten und ungesündesten Arbeiten. Ohne Arbeitsvertrag verlieren sie auch oft ihre Aufenthaltserlaubnis in Frankreich und damit ihre afrikanischen Familien ihr Einkommen.

Innerhalb von 24 Stunden stimmten 27 der bestreikten Unternehmen den Forderungen zu. Die gleichzeitige solidarische Aktion und die öffentlichkeitswirksame Besetzung der Olympiabaustelle, der „Adidas Arena“ an der Porte de La Chapelle im Norden von Paris, sicherten diesen Erfolg. Anders als in Deutschland besteht in Frankreich ein individuelles Streikrecht, wenn eine Gewerkschaft den Streik mitträgt.

Der Erfolg war das Werk über einjähriger Vorbereitungsarbeit hauptsächlich der Gewerkschaftsmitglieder der CGT (Confédération Général de Travail) auf den Baustellen. Geduldige Aufklärung, persönliche Unterstützung, gemeinsame Treffen mit den Arbeitenden anderer Arbeitsverleiher und Subunternehmer schufen allmählich den nötigen Zusammenhalt. Ohne diesen war es für die Einzelnen unmöglich, dem enormen Druck und der Angst zu widerstehen, seine Arbeit zu verlieren, wenn man sich wehrt.

Der Streik setzte bestehendes Recht durch. Es einzuklagen ist für Arbeitsmigranten nahezu unmöglich. Die begeisterten Reaktionen der Streikenden zeigen: Die Wirkung dieses Kampfes reicht weit über die erreichten individuellen Verbesserungen hinaus: Erlebte Solidarität, Kampferfahrung durch Nutzung eines Schwachpunktes des Gegners durch den Druck auf die Olympiabaustelle und die Wertschätzung der gewerkschaftlichen Organisation. Das sind nur einige Aspekte, die in den Gesprächen der Streikenden eine Rolle spielten. Die Gewerkschaft CGT stellt darüber hinaus in ihrem Leitfaden für die Arbeit mit Arbeitsmigrantinnen den internationalen politischen Zusammenhang her: „Angesichts der Interessen der Finanzmärkte, der Arbeitgeber und der staatlichen Komplizenschaft ist die Klasseneinheit der Arbeiter mehr denn je aktuell. Uns zu spalten bedeutet die herrschende Klasse zu stärken. Deshalb bedeutet, neue Rechte für Arbeitnehmer ohne Papiere zu garantieren und zu gewinnen, die Rechte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken.“ Gleichzeitig versuchen die EU-Staaten ihren Zugriff auf billigere Arbeitskräfte durch ausgeklügelte Zulassungsbedingungen in den Bereichen zu sichern, in denen zu wenig Arbeitskräfte verfügbar erscheinen. Damit sollen die Folgen der kolonialen Abhängigkeit der Herkunftsstaaten der Arbeitsmigranten in wohlfeile Ausbeutungsbedingungen fortgeschrieben werden.

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"Black Power in Paris", UZ vom 3. November 2023



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