Zum Jahresauftakt der Grünen

Butterweich

Auf der digitalen Klausur am vergangenen Wochenende formulierte die Grüne Partei ihren Machtanspruch und ein Grundsatzpapier. Doch weder ihr Machtanspruch ist neu noch die Grundsätze, vor allem aber nicht der Widerspruch zwischen den im neuen Grundsatzprogramm wohlklingend formulierten „Werten“ der Partei und ihrer realen Regierungspolitik in Vergangenheit und Gegenwart.

Zum „Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen und die Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise“ gehört offensichtlich die Zerstörung des Dannenröder Forstes, den bekanntlich die hessische Landesregierung, bestehend aus CDU Hessen und Bündnis 90/Die Grünen Hessen, mit robusten Mitteln durchgesetzt hat.

Die Erkenntnis, dass soziale Gerechtigkeit mehr bedeutet als ein Leben ohne Armut, ist beileibe nicht neu und erst recht nicht eine der grünen Partei. Vor gut 15 Jahren hat sie sie aber nicht gehindert, mit der Durchsetzung der Hartz-Gesetzgebung im Bundestag Armut per Gesetz zu beschließen. Sie hat damit auch massenhaft Menschen das Recht auf materielle Sicherheit und gesellschaftliche, politische und kulturelle Teilhabe sowie ein Leben ohne Existenzangst abgesprochen – genau das, was im neuen Grundsatzprogramm proklamiert wird.
Es wäre eigentlich ein Wohlfühlprogramm. Wenn die neue grüne Politik einen starken Sozialstaat, der die Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes, glückliches Leben schafft, anstrebt, wenn nun allen Bürgerinnen und Bürgern die gleichen Rechte und Möglichkeiten gewährt werden und der Wohlstand gerecht verteilt werden soll, höre ich das ja gern – und vermisse, was und wer das denn verhindert.

Auch wenn die Grünen Forderungen wie Arbeitszeitverkürzung oder Entlastung in der Pflege butterweich aufgreifen: Die Antwort, wie die Interessen der arbeitenden Menschen gegen die des Kapitals durchzusetzen sind, bleiben sie schuldig.

Zusammengezuckt bin ich allerdings an der Stelle: „Wir tragen als internationale Gemeinschaft Verantwortung, gegen schwerste Menschenrechtsverletzungen und Völkermord im Rahmen der Vereinten Nationen vorzugehen.“ Nun lässt sich ja die Kleinigkeit vergessen, dass Josef Fischer die UNO beim Jugoslawien-Krieg nicht im Boot hatte. Aber für die Zukunft hat die Aggression gegen Russland und China mit diesen Grünen einen verlässlichen Verbündeten.

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"Butterweich", UZ vom 15. Januar 2021



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