Personal- und Entscheidungspolitik der Behörde in der Kritik

Chaos in der Asylbehörde

Von Markus Bernhardt

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), welches für die Durchführung von Asylverfahren und die Entscheidungen über Asylanträge verantwortlich ist, gerät nicht aus der öffentlichen Kritik. Während das Bundesinnenministerium jüngst auf seiner Internetseite frohlockte, dass die Anzahl der offenen Fälle beim BAMF weiter zurückgingen, kritisieren Flüchtlingsinitiativen und Menschenrechtsorganisationen vor allem die Arbeitsabläufe und Personalpolitik der Behörde. Erst kürzlich hatte die Behörde mehrere Stellen ausgeschrieben und sogenannte Entscheider in Asylverfahren gesucht. „Wir suchen Bewerberinnen und Bewerber mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium auf mindestens Bachelor-Niveau der Fachrichtungen öffentliche Verwaltung, Public-Management, Verwaltungswissenschaften oder Rechtswissenschaften“, lautete die einzige formale Voraussetzung für potentielle Bewerberinnen und Bewerber. Weitergehende Kompetenzen erschienen dem BAMF offenbar nicht notwendig zu sein. Ein fatales Signal – und sicherlich kein Zeichen von Professionalität.

Nachdem in der Vergangenheit Stellen im BAMF mit Mitarbeitern aus anderen Behörden besetzt wurden, die mit den Themen Flucht, Asyl und Migration bis dahin beruflich nichts zu tun hatten, versucht die Behörde mittlerweile verstärkt Menschen mit Mi­grationshintergrund bzw. ausgeprägten Fremdsprachenkenntnissen als Mitarbeiter zu gewinnen. Dass dies die Abläufe tatsächlich erleichtert und zugleich an Recht und Gesetz gebundene Entscheidungen getroffen werden, darf zumindest bezweifelt werden. Eine Menge an Neueinstellungen ist schließlich beileibe kein Garant für eine kompetente Bearbeitung der Asylfälle. Hinzu kommt, dass es Mitarbeitern ohne pädagogische Grundbildung kaum möglich sein dürfte, den nicht selten traumatisierten Flüchtlingen mit genügend Einfühlungsvermögen und Empathie gegenüberzutreten. Faktisch entscheiden im BAMF also Menschen über das Schicksal von Flüchtlingen, die nicht selten deutliche Defizite in der politischen Bildung aufweisen, zu wenig Kenntnisse von Ursachen von Krieg, Flucht und Vertreibung besitzen und denen psychologisches und sozialpädagogisches Handeln mehrheitlich fremd sein dürfte. Es darf nicht der Eindruck entstehen, diese Defizite den Mitarbeitern zuschreiben zu wollen, verantwortlich für die unprofessionell anmutende Personalpolitik ist schließlich das Bundesinnenministerium, dem das BAMF unterstellt ist.

Eben dieses Bundesinnenministerium war es auch, das kürzlich frohlockte, dass sich die „Zahl der anhängigen Verfahren von rund 146 000 Ende Juni 2017 binnen eines Monats auf etwa 129000 reduziert“ habe. Auch das BAMF selbst gibt sich zufrieden. „Nach dem Abbau der zahlreichen Rückstände seien nunmehr natürlich auch mehr Klageverfahren anhängig“, gab dessen Präsidentin Jutta Cordt kürzlich bekannt. Diese Sicht auf die Dinge dürfte jedoch bestenfalls unter dem Stichwort Gehirnakrobatik verbucht werden können. Ist es doch vielmehr so, dass eine große Zahl der von der Behörde entschiedenen Asylfälle massive Mängel aufweisen und das Gros der Flüchtlinge vor Gericht für ihre Rechte streitet.

Auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl warf dem BAMF „mangelhafte Sachverhaltsaufklärung, unvollständige Dokumentation der Anhörungen“ und das Erstellen der „Bescheide allein auf Textbausteinbasis“ vor. „Wenn schon bei anerkennenden Entscheidungen nur unzureichend die Fluchtgründe ermittelt wurden, dann betrifft dies erst recht die abgelehnten. Es ist davon auszugehen, dass die beim BAMF existierenden Qualitätsmängel tausendfach zur Ablehnung geführt haben“, so der Vorwurf von Pro Asyl. Die Flüchtlingsunterstützer fordern daher eine Überprüfung und Neubearbeitung aller negativen Bescheide aus den Jahren 2016 und 2017.

„Die Verwaltungsgerichte müssen jetzt ausbaden, was das BAMF im Auftrag der Bundesregierung verbockt“, moniert auch die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke. Sie bezeichnete die aktuelle Überlastung der Verwaltungsgerichte als „eine direkte Folge der Vorgaben der Bundesregierung, rigidere Asylbescheide zu erteilen“.

Tatsächlich dürfte es dem Regierungswunsch entsprechen, dass so wenig Menschen wie möglich als Flüchtlinge anerkannt werden. Die Abschottung funktioniert nicht nur an den EU-Außengrenzen, sondern auch im Innern der Bundesrepublik. Anstatt die eigene Urheberschaft für die Flucht vieler Menschen vor Armut, Hunger und Krieg endlich anzuerkennen und grundlegend politisch umzusteuern, ignoriert die Bundesregierung das Schicksal Hunderttausender Flüchtlinge und macht es diesen nahezu unmöglich, ein zumindest halbwegs geordnetes Leben führen zu können. Der politische Druck, den das Bundesinnenministerium offenbar auf das BAMF ausübt, muss umgehend beendet werden. Notwendig ist eine Rückkehr zu rechtlichen und humanitären Standards in der Asylpolitik und nicht die politische Vorgabe aus Regierungskreisen, möglichst viele Asylanträge abzulehnen. Die offensichtlichen Verfehlungen des Bundesinnenministeriums und des BAMF bleiben keineswegs folgenlos. So geht es für die von der Behörde abhängigen Flüchtlinge am Ende oftmals um nicht weniger als um Leben und Tod.

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"Chaos in der Asylbehörde", UZ vom 1. September 2017



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