Christian Koberg gestorben

Von Nina Hager

Kondolenzschreiben

aus Kuba an die DKP

Anlässlich des Ablebens von Christian Koberg überbringt die Kommunistische Partei Kubas der Leitung der DKP und Christians engsten Genossinnen und Genossen ihr tief empfundenes Beileid. Christian Koberg wird immer als ein großer Freund des kubanischen Volks in Erinnerung bleiben. Er war eine herausragende Persönlichkeit in seiner Partei und Mitglied ihres Sekretariats über viele Jahre. Er leistete wichtige Beiträge für die freundschaftlichen Beziehungen mit Kuba.

Christian charakterisierte sich durch seine aktive Solidarität mit der Kubanischen Revolution, indem er Arbeitsbrigaden der DKP nach Kuba besonders in den schwierigen Jahren der Sonderperiode organisierte und begleitete. Er richtete seine persönlichen Anstrengungen auf Impulse gegen die Blockade, auf den Kampf für die Befreiung der fünf Helden, und auf die brüderlichen Beziehungen zwischen unseren beiden Parteien.

Wir drücken auch Christians Familie unser zutiefst empfundenes Beileid aus; wir sind bei ihr in ihrem tiefen Schmerz.

Zentralkomitee

der Kommunistischen Partei Kubas

Am 22. Mai starb unser Genosse Christian Koberg. Mitglied der illegalen KPD wurde Christian bereits 1962 mit 16 Jahren. Er schloss sich den antifaschistischen Kämpfern an, die den Nazi-Terror überlebt hatten, und der FDJ- Generation, die gemeinsam für Wiedervereinigung und Frieden, gegen Remilitarisierung und atomare Bewaffnung, gegen Adenauer und auch gegen „den Mief von 1 000 Jahren“ kämpften. Im gleichen Jahr wurde er Gewerkschafter, war viele Jahre aktiv – zunächst in der HBV, später in der Gewerkschaft ver.di, in der er bis zuletzt, nun als Vorsitzender des Bezirksseniorenausschusses Kiel/Plön, arbeitete.

Christian engagierte sich für die Durchsetzung der legalen Tätigkeit kommunistischer Politik. Er gehörte zu den Organisatoren der Ostermarschbewegung in Hamburg und Schleswig-Holstein. Er trat für eine Gewerkschaftsjugendbewegung mit antikapitalistischer Orientierung ein und gegen den auch in der Arbeiterbewegung verbreiteten Antikommunismus. Für die Arbeiterjugend und die Studenten wurde die Solidarität mit Vietnam zum politischen Katalysator, wurde der Marxismus attraktiv. Die KPD unterstützte die Bewegungen. Christian war mittendrin in den Auseinandersetzungen, organisierte auch theoretische Debatten, z. B. im Club M in Kiel.

1968 gehörte er zu jenen, die aufriefen, die kommunistische Partei neu zu konstituieren. In den stürmischen 68ern wurde die DKP-Gründung durchgesetzt. Oft mussten Provokationen abgewehrt werden, wie z. B. in der Phase der Gründung der SDAJ. Trotzkisten, Maoisten und andere versuchten damals, den sich bildenden marxistischen Jugendverband für eigene Zwecke zu missbrauchen.

In den folgenden Jahren, als der Einfluss der Partei wuchs und die Mitgliederzahlen stiegen, gab es große Erfolge der Arbeiter- sowie der Friedensbewegung: im Bonner Hofgarten demons­trierten 300 000 gegen die Nachrüstung, die gewerkschaftlichen Kämpfe zur Durchsetzung der 35-Stunden-Woche waren erfolgreich, die Strauß-Kanzlerschaft wurde verhindert. Aber auch Niederlagen mussten verkraftet werden: Brokdorf wurde gebaut, Rheinhausen plattgemacht.

Dann geschah das Undenkbare: Der Sozialismus in Europa erlebte eine Niederlage, die DDR existierte nicht mehr, nur noch ein größer gewordenes kapitalistisches Deutschland. Die DKP war tief gespalten. Massenaustritte – auch durch Resignation bedingt – stellten die Existenz der Partei in Frage. Dank Christian und vieler anderer Mitstreiter gelang es, die Partei zu erhalten. Er gehörte zu jenen, die den Neuaufbau und die Konsolidierung wagten, ein neues Statut erarbeiteten und die Debatte um ein neues Parteiprogramm organisierten. Die Tradition der UZ-Pressefeste wurde weitergeführt. Die UZ konnte als Wochenzeitung erscheinen, die Karl-Liebknecht-Schule in Leverkusen Seminare zur Vermittlung marxistischen Wissens durchführen. Die Solidarität mit dem ums Überleben kämpfendem sozialistischen Kuba war für unsere Partei eine Herzenssache. All dies zu organisieren und zu sichern, zehrte an den Kräften der wenigen Hauptamtlichen und vieler Ehrenamtlicher in der Partei. Der heftige innerparteiliche Meinungsstreit forderte seinen Tribut.

Christian engagierte sich auch nach seinem Ausscheiden aus der hauptamtlichen Arbeit. Ende vergangenen Jahres trat er als Sprecher und Kassierer des Bezirks Schleswig-Holstein zurück. Aus gesundheitlichen Gründen, aber auch weil er mit der Politik der jetzigen PV-Mehrheit nicht einverstanden war. Auch der innerparteiliche Konflikt trug zur Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bei.

Wir verlieren mit Christian Koberg nicht nur einen Zeugen des illegalen Kampfes der KPD und der Geschichte der DKP. Wir verlieren auch einen mit der Partei eng verbundenen, liebenswerten Genossen, der sich immer und selbstlos für die Sache einsetzte und viel bewegte.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Christian Koberg gestorben", UZ vom 2. Juni 2017



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