Wie die Volksrepublik China den Kampf gegen die Coronapandemie führt

Der gemeinsame Feind der Menschheit

Aktualisierte Version des Online-Exklusiv-Interviews

Während Deutschland aller Vorraussicht nach der Höhepunkt der Coronaepidemie noch bevorsteht und die desolate Lage des deutschen Gesundheitssystems Schlimmes befürchten lässt, ist in der Volksrepublik China die Epidemie weitgehend eingedämmt. Tägliche Neuansteckungen bewegen sich im niedrigen einstelligen Bereich. UZ sprach mit Tao Lili, Sprecherin der Botschaft der Volksrepublik China in Deutschland, über den Kampf Chinas gegen die Epidemie in der Volksrepublik und darüber hinaus.

UZ: Der Volksrepublik China ist es gelungen, die Coronaepidemie weitgehend einzudämmen. Welche Maßnahmen wurden dazu ergriffen?

Tao Lili: Die chinesische Regierung hat schnellstmöglich umfassendste, strengste und gründlichste Maßnahmen ergriffen, ein flächendeckendes und integratives System zur Prävention und Kontrolle landesweit eingerichtet, die am stärksten betroffenen Städte abgeriegelt, die Frühlingsfestferien verlängert sowie innerhalb von 15 Tagen zwei Spezialkrankenhäuser gebaut und so weiter. In Hinsicht auf Schnelligkeit, Strenge und Umfang suchen diese Maßnahmen weltweit ihresgleichen.
Angesichts der ernsten Lage informiert die chinesische Regierung zugleich stets in offener, transparenter und verantwortungsbewusster Weise sowohl die chinesische als auch die internationale Öffentlichkeit über die aktuelle Entwicklung der Covid-19-Epidemie. Denn wir sind uns völlig bewusst, dass offene, transparente Informationspolitik mit korrekten Zahlen eine starke Waffe gegen Epidemien ist, um das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen und auch deren Mithilfe zu mobilisieren.
Inzwischen haben wir bei der Bekämpfung bereits erfreuliche Ergebnisse erzielt. In China waren am 22. März 39 neue Infektionsfälle landesweit gemeldet, und alle sind importierte Fälle. Derzeit sind schon mehr als 72000 Infizierte genesen und aus dem Krankenhaus entlassen worden, allerdings gab es auch 3.270 Todesfälle. Insgesamt sind die Maßnahmen Chinas richtig und wirksam, sie haben auch dazu beigetragen, eine Ausbreitung der Epidemie auf andere Länder wirksam zu verlangsamen.

UZ: Es wurden nicht nur ganze Städte unter Quarantäne gestellt, sondern auch Fabriken konsequent geschlossen. Gab es für die davon betroffenen Menschen Lohnfortzahlung? Wer hat diese geleistet, der Staat oder die Unternehmer?

Tao Lili: Um die Interessen insbesondere der Arbeitnehmer in dieser Zeitphase hinreichend zu garantieren, hat das Ministerium für Humanressourcen und Soziales per Sonderverordnungen die Unternehmen angehalten, die Löhne gemäß den Arbeitsverträgen weiterzuzahlen. Im Fall eines längeren Produktionsausfalls haben die Unternehmen die Lebenshaltungskosten zu übernehmen, auch wenn die Arbeitnehmer keine Arbeit leisten. Falls die Arbeitnehmer wegen der Maßnahmen wie Quarantäne und Verkehrseinschränkungen oder sogar wegen Infektion nicht rechtzeitig zur Arbeit zurückkehren können, bekommen sie weiter Vergütung und dürfen nicht entlassen werden. Daneben ist es auch möglich, Maßnahmen wie Gehaltsanpassung, Rotation sowie Verkürzung der Arbeitszeit zwischen Arbeitnehmern und -gebern zu vereinbaren.
Zugleich haben wir eine Reihe von wirtschafts- und finanzpolitischen Stützungsmaßnahmen ergriffen, um die Wiederaufnahme der Produktion zu fördern und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen beim Überwinden der schwierigen Phase zu unterstützen. Mittlerweile haben die meisten Unternehmen in China ihre Produktion wieder aufgenommen.

UZ: Wie wurde die Kinderbetreuung für diejenigen organisiert, die in sensiblen Bereichen wie zum Beispiel dem Gesundheitswesen arbeiten und die nicht zu Hause bleiben konnten?

Tao Lili: Die medizinischen Kräfte haben mit ihrer Professionalität, Nächstenliebe und Hingabe einen großartigen Beitrag zur Bekämpfung des Covid-19 geleistet. Ihnen allen gilt unser aufrichtiger Respekt. Auch deren Gesundheitsschutz und Unterstützung aller Art liegt dem Staatspräsidenten Xi Jinping und den zuständigen Behörden am Herzen. Neben den lokalen Fachkräften in der Provinz Hubei sind landesweit insgesamt mehr als 40.000 medizinische Fachkräfte nach Hubei entsendet und dort eingesetzt worden. Dank umfassender Schutz- sowie Unterstützungsmaßnahmen wurde keiner von ihnen mit Covid-19 infiziert.
Wenn bei Ehepaaren beide einen medizinischen Beruf haben, werden sie nicht gleichzeitig an der Front der Bekämpfung eingesetzt. Zugleich sorgen die lokalen Regierungen und ehrenamtliche Aushilfskräfte dafür, den Familienangehörigen der Mediziner in ihren alltäglichen Schwierigkeiten helfend beizustehen.

UZ: In Deutschland stehen die Kunden in den Supermärkten teils vor leeren Regalen. Die Schlangen vor den Kassen sind lang, die Infektionsgefahr ist dementssprechend hoch. Wie wurde in China in den betroffenen Gebieten die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln gewährleistet?

Tao Lili: Neben der Bekämpfung der Epidemie halten wir die Versorgung mit Lebensmitteln für einen Schlüsselfaktor bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. China ist es im Grunde gelungen, eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln selbst in schwer betroffenen Gebieten wie Wuhan sicherzustellen und auf verschiedene Weisen das Ansteckungsrisiko dabei möglichst zu minimieren. Die Leute, die unter Quarantäne bleiben oder wegen Ausgangssperre ihr Zuhause nicht verlassen dürfen, können Lebensmittel entweder durch Handy-Apps online bestellen oder bekommen diese dann direkt von Mitarbeitern oder ehrenamtlichen Leuten der kommunalen Verwaltung nach Hause geliefert. Mancherorts wird es auch so geregelt, dass nur eine Person pro Familie alle zwei oder drei Tage in den Supermarkt gehen darf, um damit die Ansteckungsgefahr beim Einkauf zu verringern.
Im Zuge der Epidemie haben sich in China auch neue Geschäftsmodelle rasant entwickelt, wie unbemannter Einzelhandel und kontaktloser Vertrieb, um die Bedürfnisse des täglichen Lebens der Menschen zu befriedigen und eine ausreichende Versorgung sicherzustellen.

UZ: Inzwischen sind chinesische Experten in Italien eingetroffen, um das Virus auch dort zu bekämpfen. Welche Hilfe leisten die Chinesinnen und Chinesen dort konkret? Ist diese humanitäre Hilfe auch in anderen Ländern geplant?

Tao Lili: Solidarität wird im Kampf gegen den gemeinsamen Feind der Menschheit Covid-19 großgeschrieben. Die internationale Gemeinschaft und zahlreiche Länder, einschließlich Deutschlands, haben China in letzter Zeit in vieler Hinsicht unterstützt, dafür sind wir sehr dankbar. Deshalb ist die Volksrepublik bereit, trotz der auch in China immer noch nicht gebannten Epidemie, alles in unseren Kräften Stehende zu tun, um anderen Ländern Unterstützungen zu leisten.

Um Italien bei dem Kampf gegen die Epidemie zu helfen, hat China ein neunköpfiges Expertenteam nach Rom geschickt. China zählt zu den Ländern, die dem hilfsbedürftigen Italien die Hände gereicht haben. Neben den medizinischen Ausrüstungen von 31 Tonnen, die mit dem Team nach Italien gekommen sind, wird das Expertenteam auch die jüngsten medizinischen Konzepte wie zum Beispiel. Behandlungstherapien mit den italienischen Kollegen teilen. Sie haben Krankenhäuser im schwer betroffenen Gebiet vor Ort inspiziert und tauschen Informationen und Erfahrungen sowie Expertisen mit den italienischen Experten aus. Das zweite Expertenteam wird sich in Kürze auf den Weg nach Italien machen.

Bis jetzt haben wir bereits die wertvollen Erfahrungen in Form von Behandlungstherapien an mehr als 100 Länder und über zehn internationale und regionale Organisationen weitergegeben, und zwar freiwillig. Zudem erhielten unter anderem Südkorea und Japan mehrere Tonnen medizinische Hilfsgüter von uns. Chinesische Expertenteams sind auch im Iran, im Irak und in Pakistan eingesetzt. Darüber hinaus hat China der Weltgesundheitsorganisation 20 Millionen US-Dollar gespendet, um die internationale Zusammenarbeit in diesem Bereich voranzutreiben.

Durch Videokonferenzen haben die Experten aus China und den europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, schon mehrmals Erfahrungen ausgetauscht, weitere Konferenzen sind geplant. Angesichts der heutigen Lage der Pandemie ist eine engere Zusammenarbeit zwischen uns unentbehrlich. China ist dazu bereit.

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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Der gemeinsame Feind der Menschheit", UZ vom 27. März 2020



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