Zum 90. Geburtstag von Willi Gerns

Der Kampf gegen Rechts im Spiegel der DKP-Programme

Willi Gerns gehörte bis 1991 zur Parteiführung der DKP und gilt als Architekt der DKP-Programme. Zusammen mit Robert Steigerwald schrieb er Bücher und Beiträge zur Erläuterung der theoretischen Grundlagen, der historischen Erfahrungen und der konkreten Analysen, auf denen die Programme basierten. Diskussionsthema war immer wieder die antimonopolistische Strategie. In diesem Beitrag soll die Frage im Mittelpunkt stehen, wie sich in den Programmen der DKP seit 1969 die Rechtsentwicklung und der Kampf gegen Rechts widerspiegeln. Wie sah der Kampf gegen Rechts in verschiedenen Etappen der Entwicklung der BRD aus? Wann waren wir erfolgreich? Lässt sich daraus für den heutigen Kampf gegen Rechts lernen?

Als die DKP im April 1969 ihre Grundsatzerklärung beschloss, lag die Niederlage des Hitlerfaschismus 25 Jahre zurück. Der Sozialismus erstarkte, das Kolonialsystem war weitgehend zerbrochen, die Kämpfe der Arbeiterklasse in den Ländern des Kapitals nahmen zu. In der Bundesrepublik zeigte sich im Aufschwung der Studentenbewegung und der Kämpfe der Auszubildenden ein wachsendes demokratisches Potential. Die Grundsatzerklärung definierte das System der BRD als staatsmonopolistischen Kapitalismus. „Notstandsstaat und Rechtskurs nach innen, aggressives Großmachtstreben nach außen, Militarisierung der Gesellschaft und Manipulierung des Menschen“ charakterisierten ihn. Das Großkapital übte die politische Macht aus, „unmittelbar oder mittelbar über seine Beauftragten in Parteien und Parlamenten, über den Einfluss auf die staatliche Exekutive und übernationale Organe wie die EWG und vor allem über die Unternehmerverbände“.

Die neonazistische NPD saß in sieben Landtagen. Sie war „mit ihrer nationalen und sozialen Demagogie das Auffangbecken für Unzufriedene und eine Reserve der Monopolinteressen gegen das arbeitende Volk“. Sie wurde genährt durch regierungsoffiziellen Nationalismus und Antikommunismus. Aber: „Die neofaschistische Gefahr beschränkt sich nicht auf die NPD. Sie entspringt dem staatsmonopolistischen System und den aggressiven Zielen der herrschenden Kreise. Ihre einflussreichsten Träger sind in der Führung der CDU/CSU ebenso wie in den Unternehmerverbänden, in der Spitze der Bundeswehr, in nationalistischen und revanchistischen Organisationen wie im Staatsapparat und im System der Meinungsmanipulation.“

Die SPD-Führung

Die SPD-Führung habe am Ende der Ära Adenauer und Erhard der CDU/CSU mit der Großen Koalition aus ihrer tiefen Krise geholfen. Damit habe sie sich „über die Interessen der eigenen Partei und den Willen der Mitglieder“ hinweggesetzt und das Vertrauen der Wähler gebrochen. Das war eine unter Gewerkschaftern verbreitete und in Aktionen gegen Notstandsgesetze und Große Koalition artikulierte Stimmung. Die Gründe für das Verhalten der SPD-Führer lagen im „Verzicht auf die Interessenvertretung der Arbeitenden“, in der „Preisgabe aller sozialistischen Traditionen und Ziele“ und der „Eingliederung der SPD-Führung in das System“.
Als Alternative zum Rechtskurs formulierte die Grundsatzerklärung das strategische Ziel der demokratischen Erneuerung von Staat und Gesellschaft. Sie umfasste die Beseitigung des Neonazismus, die Beendigung der Großmachtpolitik, Anerkennung der Grenzen, die Einschränkung und schließliche Überwindung der Macht des Monopolkapitals. Diese „entscheidende Kampfaufgabe der nächsten Etappe“ solle an die sozialistische Umwälzung heranführen. Der Kampf gegen rechts war ein unumgänglicher Bestandteil der Gesamtstrategie zur Überwindung des Systems.

Vom demokratischen Potential, das sich im Widerstand gegen die Rechtsentwicklung der CDU-Ära sammelte, profitierte bei der Bundestagswahl im Herbst 1969 primär die SPD. Der befürchtete Einzug der NPD in den Bundestag scheiterte. Die Regierung Brandt/Scheel unterschrieb die Ostverträge, gegen deren Ratifizierung die CDU/CSU weiterhin Sturm lief. Im Inneren begann die kurze „Reform-Ära“. Berufsverbote verstärkten zugleich die Repression gegen Linke. Laut Thesen des Düsseldorfer Parteitags 1971 trat im System der Machtausübung das Bemühen in den Vordergrund, die Arbeiterklasse durch Reformversprechen und Teilzugeständnisse an das System zu binden. Innere Krisen und das internationale Kräfteverhältnis zwangen zur Anpassung. Das hieß für die DKP, „den Klasseninhalt der Reform- und Integrationspolitik zu enthüllen“, aber dennoch „das veränderte Kräfteverhältnis und die Widersprüche innerhalb des Monopolkapitals für den Kampf um die Verbesserung der Lebensbedingungen“ zu nutzen.

Die CDU als Hauptpartei des Monopolkapitals

Da auch SPD und FDP jetzt von „demokratischer Erneuerung“ redeten, präzisierte die DKP den Klasseninhalt ihrer strategischen Orientierung als „antimonopolistische Demokratie“. Ihre Haltung zur SPD/FDP-Regierung war differenziert: „Die DKP unterstützt jede Maßnahme dieser Regierung, die soziale und demokratische Interessen des arbeitenden Volkes berücksichtigt oder dazu dient, realistische Schritte auf dem Weg zu Frieden und europäischer Sicherheit einzuleiten. Sie wendet sich zugleich entschieden gegen eine Regierungspolitik, die den Interessen der Arbeiter und der anderen werktätigen Schichten widerspricht …“ These 6 stellte zugleich klar: „Hauptpartei des deutschen Monopolkapitals ist die CDU/CSU, auch wenn sie nicht die Regierungsgeschäfte führt.“ Sie werde „unmittelbar von den reaktionärsten großkapitalistischen Interessengruppen beherrscht“. Gegen sie sei der Hauptstoß zu richten. Es sei nicht gleichgültig, „mit welchen Methoden das Monopolkapital seine Macht ausübt, welche Kreise der Monopolbourgeoisie die Regierungspolitik bestimmen.“

Die Beachtung der Widersprüche innerhalb der herrschenden Kreise trug zur Handlungs- und Mobilisierungsfähigkeit der DKP bei. Im April 1972 wollte die CDU/CSU mit einem Misstrauensvotum gegen die Regierung Brandt/Scheel die Ostverträge zu Fall bringen. Unter der Losung „Für den Erhalt der Regierung Brandt/Scheel – für die Ratifizierung der Verträge von Moskau und Warschau“ verließen während der Bundestagsdebatte in vielen Städten der BRD Belegschaften ihre Arbeitsstellen und strömten zusammen mit Studenten, Schülern und anderen Empörten zu Zehntausenden auf die Straßen. Zu dieser Zeit wuchs die DKP trotz Berufsverboten. Es kam in vielen Bereichen zu Aktionseinheiten und Bündnissen im Kampf um Verbesserungen.

Die Krise 1974/75

Die Krise 1974/75 beendete die kurze „Reform-Ära“. Helmut Schmidt setzte den Rotstift an. Das vom Mannheimer Parteitag 1978 verabschiedete Programm der DKP bezeichnete die Krise als „tiefen Einschnitt“, der die Phase der Nachkriegskonjunktur beende und eine Rückkehr zur krisenhaften Normalität des Kapitalismus bringe. Der Spielraum der herrschenden Klasse für materielle Zugeständnisse verringere sich. Ihre Suche nach einem reaktionären Ausweg aus der Krise setzte für die Arbeiterklasse und die nichtmonopolistischen Schichten den Abwehrkampf gegen sozialreaktionäre Angriffe und die Verteidigung von Errungenschaften auf die Tagesordnung. Dabei würden sich die Kräfte sammeln, die eine Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt durchsetzen könnten. Erstrebenswert sei die Entfaltung einer solchen Kraft, dass der Kampf um die Wende in eine antimonopolistische Demokratie und grundlegende Umwälzungen einmünde. Das hänge aber von der Stärke des demokratischen Potentials ab, das sich aus den nichtmonopolistischen Klassen und Schichten rekrutiere, die im Interessengegensatz zum Monopolkapital stehen. Die Kluft zwischen der objektiven Lage dieser Kräfte und ihrer Erkenntnis dieser Lage zu überwinden sei das Ziel der Aktionseinheits- und Bündnispolitik.

Der Hamburger Parteitag 1986 stand unter dem Eindruck des Reaktorunfalls in Tschernobyl. Die DKP begann, ihre Haltung zur friedlichen Nutzung der Kernenergie zu überdenken. Der Parteitag beschloss Thesen zu „neuen Fragen“. Das betraf den großen Aufschwung der Friedensbewegung, an dem auch Teile der SPD und die neue Partei der Grünen teilhatten. Es betraf den Strukturwandel infolge der wissenschaftlich-technischen Revolution, Strukturveränderungen in Arbeiterklasse und Intelligenz. Seit 1982 war Kohl Kanzler. Die von der Mehrheit des Monopolkapitals betriebene Ablösung der SPD-geführten Regierung war Ausdruck eines Strategiewechsels nach der Krise 1974: Die Binnenentwicklung sollte der Weltmarktorientierung rigoros untergeordnet werden. 1982 bis 1990 sank die Lohnquote von 67 auf 60 Prozent. Kohl forderte die „geistig-moralische Wende“. Die DKP sah darin den Versuch, „all das Positive zurückzudrängen, was seit Ende der 60er Jahre erreicht wurde.“

Arbeiterbewegung im Abwehrkampf

Drucker und Metaller wollten mit Streiks für die 35-Stunden-Woche Arbeitsplätze erhalten. Der erzielte Kompromiss brachte Arbeitszeitverkürzung, öffnete aber auch das Tor für mehr Flexibilisierung. Stahlarbeiter streikten für die Vergesellschaftung der Stahlindustrie, konnten die Schrumpfung der Branche durch das Großkapital aber nicht aufhalten. Parallel kam es zum Aufschwung „neuer sozialer Bewegungen“. Darunter wurde so Verschiedenes wie die Anti-AKW-Bewegung, die Frauenbewegung und Bewegungen für Minderheitenrechte gefasst. Versuche, die neuen sozialen Bewegungen, in denen Angehörige der lohnabhängigen Mittelschichten den Ton angaben, gegen die „alte Arbeiterbewegung“ zu stellen, wies die DKP zurück und forderte das Bündnis beider. Die Grünen als „radikaldemokratische und ökoreformistische Kraft“ seien „keine vorübergehende Erscheinung“, da die Ökokrise andauere.

Die Arbeiterklasse der BRD war schon geschwächt, als der Zusammenbruch des Sozialismus in Europa der Rechtsentwicklung einen neuen, massiven Schub verlieh. Die Abwicklung und Deindustrialisierung der DDR bot Anlass für neue Wellen der Prekarisierung. Der erstarkte deutsche Imperialismus drängte nach Ostexpansion und Dominanz in Europa. Rot-grüne Regierungen führten Krieg gegen Jugoslawien und erfanden die Agenda 2010. Fischers Aussage, der Jugoslawienkrieg verhindere ein zweites Auschwitz, missbrauchte den Antifaschismus zur Rechtfertigung eines Angriffskriegs. Der Rechtskurs von Rot-Grün schwächte und spaltete das demokratische Potential nachhaltig. Die SPD verlor in der Folgezeit die Hälfte ihrer Wähler.

Modernisierung der CDU

Die CDU-Regierungen unter Merkel setzten auf vielen Gebieten den Kurs von Rot-Grün fort. Die CDU verlor damals in Großstädten, da die wachsenden urbanen Mittelschichten (Lehrer, Öffentlicher Dienst) SPD und Grüne bevorzugten. Merkel verschaffte der CDU ein neues Image, indem sie all jene Themen der neuen sozialen Bewegungen aufgriff und der CDU-Politik einverleibte, die mit den Interessen des Monopolkapitals vereinbar waren. Selbst die CDU/CSU-Forderung nach Weiternutzung der Kernenergie wurde nach Fukushima fallengelassen. CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP näherten sich an. Das Vierer-Kartell neoliberaler NATO-Parteien, die – vorzugsweise unter CDU-Führung – im Bund regieren dürfen, entstand.

Klassenmäßig gesehen, erweiterte die Monopolbourgeoisie ihren Block mit dem rechtssozialdemokratischen Flügel der Arbeiterschaft um die neuen lohnabhängigen Mittelschichten. Das verschafft dem politischen Herrschaftssystem des deutschen Monopolkapitals relative Stabilität. Seine Hauptpartei ist weiterhin die CDU/CSU, in deren Wirtschaftsrat Vertreter der Finanzoligarchie das Sagen haben. Wunschpartnerin blieb die FDP. Da es mit ihr zur Mehrheit nicht reicht, werden SPD oder Grüne beteiligt, gegen kleine, oft nur symbolische Zugeständnisse an ihre Wählerbasis.

Im Zuge ihrer Modernisierung verlor die CDU/CSU Bindekraft im rechtskonservativen und neonazistischen Lager. Es verselbstständigte sich in Form der AfD. Als Scheinopposition agiert sie gegen Linke und Minderheiten. Mit Faschismusverharmlosung, Rassismus, Sozialdarwinismus, Antikommunismus, Hetze und Terror bewirkt sie die Schwächung der Gegner des Monopolkapitals. Zwar droht zurzeit in der Bundesrepublik keine faschistische Machtergreifung, da das Monopolkapital sie nicht braucht. Gleichwohl tragen Neonazis zur Verrohung der Gesellschaft bei. Die AfD erstrebt „bürgerliche Koalitionen“. In Thüringen ließen CDU und FDP erst nach einem Proteststurm davon ab. Solange die AfD erlaubt ist, muss sie politisch isoliert werden.

Aktuelle Entwicklungen

Das DKP-Programm von 2006 kritisierte die Abkehr von linker Politik bei SPD und Grünen. Das habe „Raum für neue linke Parteien“ geschaffen – PDS und WASG fusionierten 2007 zur Linkspartei. Die Kräfte des Widerstands und des Fortschritts definierte das Programm primär nach ihrer sozialen Basis, nicht nach Parteipräferenz. Benannt wurden Arbeiterklasse, Intelligenz, Mittelschichten, Bauern, Gewerkschaften und vielfältige soziale Bewegungen. Das löste aber nicht das Problem der Kluft zwischen den objektiv antimonopolistischen Interessen dieser Kräfte und ihrer subjektiven Erkenntnis. Allein durch Appelle an eine soziale Basis ist diese Kluft nicht zu schließen. Adressaten für Aktionseinheit und Bündnisse sind immer Angehörige andersdenkender politischer Strömungen, ansonsten schmoren wir im eigenen Saft.

Die Spaltungen im demokratischen Potential und die Präsenz rechtsextremer Kräfte auf den Straßen sind Ausdruck der anhaltenden Defensive, in der sich Kommunisten und Linke nach wie vor befinden. Der Weg aus der Defensive heraus verläuft primär über die Unterstützung demokratischer Aktivitäten der Massen. Lenin nannte zwei entgegengesetzte Tendenzen: „Der Kapitalismus überhaupt und der Imperialismus insbesondere verwandelt die Demokratie zu einer Illusion – und zugleich erzeugt der Kapitalismus demokratische Bestrebungen in den Massen, schafft er demokratische Einrichtungen, verschärft er den Antagonismus zwischen dem die Demokratie negierenden Imperialismus und den zur Demokratie strebenden Massen“ (LW 23, S.14). Ohne Frage sind Menschen, die mit der Losung „Wir sind mehr“ den Neonazis die Straßen und Plätze streitig machen, nach Demokratie strebende Massen. Ein Aufruf von Heiko Maas ändert das nicht. Sprach nicht auf der Friedenskundgebung 1983 im Bonner Hofgarten neben Petra Kelly, Etty Gingold und Heinrich Böll Willy Brandt?

Die DKP-Programme analysieren die Rechtsentwicklung auf Basis von Kräfteverhältnissen zwischen den Klassen und Schichten. Als Partei der Arbeiterklasse muss uns das mobilisierbare demokratische Potential besonders interessieren. Im antifaschistischen Kampf zeigen heute mehr Menschen Bereitschaft, aktiv zu werden, als in jeder anderen Frage. Das ist gut, selbst wenn viele von ihnen im bürgerlich-liberalen Parlamentarismus das Ende der Geschichte sehen. Ganze Generationen sind heute so erzogen. Nur in gemeinsamer Aktion und Diskussion werden sie erkennen, dass wirkliche Demokratie unter der Monopolherrschaft nicht möglich ist. Dazu müssen auch die Doppelstandards der Regierenden immer wieder thematisiert werden.

Die kleine DKP kann nicht überall sein, aber sie sollte dort, wo sie kämpft, eine konstruktive Einstellung zum demokratischen Potential des Landes vermitteln, differenziert, wo nötig kritisch, aber mit dem Ziel der Zusammenführung auf demokratischer und antiimperialistischer Grundlage.

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Über die Autorin

Beate Landefeld (Jahrgang 1944) ist Hotelfachfrau und Autorin.

Landefeld studierte ab 1968 Literaturwissenschaft und Soziologie an der Universität Hamburg, war Vorsitzende des Allgemeinen Studentenausschusses, Mitbegründerin des MSB Spartakus. 1971-1990 war sie im Parteivorstand der DKP, 1977-1979 Bundesvorsitzende des MSB Spartakus, später auf Bezirks- und Bundesebene Funktionärin der DKP.

Landefeld ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter. 2017 veröffentlichte sie bei PapyRossa in der Reihe Basiswissen das Buch „Revolution“.

Für die UZ schreibt Landefeld eine monatliche Kolumne.

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"Der Kampf gegen Rechts im Spiegel der DKP-Programme", UZ vom 11. Dezember 2020



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