Kommunalpolitischer Ratschlag diskutierte Positionen für eine soziale Wohnungspolitik

Der Markt regelt nichts im Interesse der Mieter

Wohnraum der privaten Vermarktung entziehen. Darüber waren sich alle Teilnehmer des Kommunalpolitischen Ratschlags der UZ-Redaktion am 12. Oktober einig. Aber der Teufel steckt offensichtlich nicht nur im Detail, das wurde in der Diskussion deutlich.

Ausgangspunkt der Debatte war der Berliner Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, für den im September 2021 eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen votierte, das war mit 56,4 Prozent ein deutliches und für viele ein überraschendes Ergebnis. Viele Städte nicht nur in der Bundesrepublik hatten auf den Entscheid geschaut und das Ergebnis als einen Erfolg für die Enteignung gewertet.

Die DKP Berlin hatte im Vorfeld inhaltliche Kritik an dem Entscheid geübt, die ein Vertreter der Berliner DKP und Aktivist in der Mieterbewegung auf dem Ratschlag noch einmal zusammenfasste: Der Volksentscheid habe nicht die Enteignung der Wohnbaukonzerne zum Gegenstand gemacht, sondern den Kauf ihres Wohnbestandes. Diesen hätten die Wohnungskonzerne vielfach vorher billig auch von öffentlichen Eigentümern erworben. Der Kaufpreis beziehungsweise die Höhe der Entschädigung für die „Enteignung“ werde von einem bürgerlichen Gericht festgelegt. Der Begriff „Enteignung“ werde dadurch verbrannt.

Die Kampagne für den Volksentscheid habe in eine politische Sackgasse geführt und demobilisiert. Ebenso habe der Berliner Senat bisher wenig Interesse gezeigt, die Anliegen der Mieter zu unterstützen. Wenn nun die Umsetzung des Volksentscheides in die Gremien des Senats gelenkt werde, hebele dies die Mieterbewegung aus und kanalisiere sie. Die DKP in Berlin hatte statt eines Kaufs von teils maroden Wohnungsbeständen der Konzerne den verstärkten Neubau von Wohnraum durch öffentliche Wohnungsgesellschaften favorisiert.

Große Einmütigkeit bestand bei den Diskussionsteilnehmern, dass mehr Wohnungen auf den Markt müssen, die preiswert sind und der öffentlichen Hand gehören. Es wurde aber immer wieder darauf hingewiesen, dass der Wohnungsbau nicht isoliert betrachtet werden darf, ökologische und stadtplanerische Aspekte beispielsweise müssen einbezogen werden. Es geht also nicht um minderwertige Wohnungen, die heutigen energetischen Anforderungen nicht gerecht werden, ebenso ist eine Ghettobildung von Menschen mit niedrigen Einkommen abzulehnen. Der Wohnungsbau hat die Infrastruktur zu berücksichtigen und muss auch überregional betrachtet werden.

Die Frage der realen Kräfteverhältnisse in den unterschiedlichen Parlamenten wurde hinsichtlich ihres Einflusses auf die Preisgestaltung von Wohnraum in ihrem Eigentum diskutiert. Einerseits wird das Kräfteverhältnis über den Bau kommunaler oder staatlicher Wohnbaugesellschaften nicht verändert, aber viele Erfahrungen zeigen, dass beispielsweise allein die Existenz kommunalen Eigentums durchaus die Preise zugunsten der Mieter verändert.

„Wir brauchen Positionen, die draußen verstanden werden“, brachte ein Teilnehmer in die Debatte ein. Zu diesen Positionen gehört die Klarstellung, dass der „Markt“ auf Profite und nicht auf gute Wohnungen ausgerichtet ist. Diese Erkenntnis wächst aktuell immens auch in den Bereichen Krankenhäusern, in der Pflege und bei der Bahn. Daher ist es eine lohnende Aufgabe, diesem „Markt“ Wohnraum zu entziehen. Für kommunistische Kommunalpolitikerinnen und -politikern resultiert daraus auch die Aufgabe, dass kommunale Grundstücke nicht verkauft, sondern von den Kommunen für Wohnungsneubauten genutzt werden. Dazu gehört auch, dass mögliche Baugrundstücke nicht für mögliche Gewerbegebiete abgegeben werden, mit denen vielfach benachbarte Städte gegenseitig konkurrieren.

Die Debatte war insgesamt ein fruchtbarer Aufschlag, um Positionen für die DKP zur Mietenfrage weiterzuentwickeln. Und am Abschluss dieses Abends brachte ein Teilnehmer noch den Gedanken ein, dass ohne Bündnispartner nichts zu erreichen sei. Die Debatte soll am folgenden Kommunalpolitischen Ratschlag der UZ-Redaktion fortgesetzt werden, der online am 30. November um 19.30 Uhr stattfindet. Die Zugangsdaten können bei Interesse von werner.sarbok@unsere-zeit.de angefordert werden.

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"Der Markt regelt nichts im Interesse der Mieter", UZ vom 21. Oktober 2022



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