Washington veranstaltete „Friedenskonferenz“ in Saudi-Arabien

Diplomatische Offensive?

Putin hat den Krieg schon verloren“, hatte US-Präsident Joseph Biden nach der NATO-Konferenz in Vilnius verkündet. Die führenden Mitglieder seiner neokonservativen Crew hatten das Mantra fast wortgleich wiederholt. Dass sich dieser überraschende Sieg des freien und demokratischen „Wertewestens“ über das ultimativ Böse – das finstere, homophobe Russland und seinen autokratischen Präsidenten – ausschließlich in der Parallelwelt der neokonservativen Propagandanarrative ereignet hat, stört die Washingtoner Glaubenskrieger natürlich wenig. Eine Brigade nach der anderen des vom „Wertewesten“ finanzierten und ausgerüsteten ukrainischen Kanonenfutters wird für diese komplett fiktionalen Siege verheizt – bis vom Land, ohnehin von seinen Oligarchen zugrunde gerichtet, nur noch ein zerstörter Torso übrig bleibt. Die erschütternde Wucht der ukrainischen Tragödie entzieht sich den deskriptiven Fähigkeiten nüchterner Worte.

Auf eben dieser Ebene der Washingtoner Fantasiewelt war die „Friedenskonferenz“ angesiedelt, welche die Neocons des Weißen Hauses am vergangenen Wochenende im saudi-arabischen Dschidda veranstaltet haben. Wenn „Putin schon verloren“ hat, braucht man Russland erst gar nicht einzuladen und kann die Bedingungen frei diktieren. Die „Friedenskonferenz“ geriet damit zum Siegertribunal. Wladimir Selenski hatte auch den dazu passenden Friedensplan vorgelegt: ein 10-Punkte-Papier, das nichts weniger als die bedingungslose Unterwerfung Russlands und den Rückzug aus allen ehemals ukrainischen Gebieten, einschließlich der Krim, fordert. Das Papier war schon Grundlage der ergebnislosen Kopenhagener Vorgängerkonferenz und sollte in Dschidda erneut vorgelegt werden. Das Timing dieser „Friedenskonferenzen“ war so gelegt worden, dass der erwartete Durchbruch der ukrainischen Herbst/Winter/Frühjahrs/Sommer-Offensive dort gefeiert werden konnte, dass „Putin“ isoliert von der „Weltgemeinschaft“ seine Niederlage und den Verlust seiner Macht zu gewärtigen hätte und dass die Staaten des Globalen Südens reumütig in den Schoß des unverzichtbaren US-amerikanischen Hegemons zurückkehren könnten.

Ganz so ist es nun nicht gekommen. Im wirklichen Leben ist der wirkliche Wladimir Putin weder isoliert noch sind Gründe erkennbar, warum er bedingungslos kapitulieren sollte. Ganz anders die Lage bei Herrn Selenski und seinen Freunden im „Wertewesten“: Ihnen gehen sowohl die Menschen als auch das Equipment aus. USA und NATO hatten Selenski zwar versprochen, ihm mit der geballten ökonomisch-militärischen Macht des „Kollektiven Westens“ so lange „wie erforderlich“ zu unterstützen, aber neue Soldaten sind nicht so einfach aus dem Hut zu zaubern. Zwar machen Selenskis Gangs jetzt Jagd auf alles, was irgendwie in der Lage ist, ein Gewehr zu tragen, aber damit bastelt man keine schlagkräftige Armee zusammen – das musste schon Adolf Hitler erkennen. Wenn nun in der größten Offensive aller Zeiten die letzten im Westen ausgebildeten ukrainischen Reserven auch noch verheizt worden sind, stehen die ukrainischen Streitkräfte vor dem Zusammenbruch, ohne dass sie die erste russische Befestigungslinie auch nur gesichtet hätten. Wenn es dann zu Verhandlungen kommen sollte, werden sie allerdings anders aussehen als jene in Dschidda und Kopenhagen. Es sei denn, Polen und Litauen möchten ihre jungen Männer tatsächlich ebenfalls in den Fleischwolf werfen. Die übrigen NATO-Staaten zumindest zeigen dafür bislang wenig Motivation.

Nüchterner denkende US-Geostrategen hegen seit einiger Zeit ihre Zweifel an der Sinnhaftigkeit der offiziellen Ukraine-Strategie. Zwar haben wohl einige Gespräche mit russischen Offiziellen stattgefunden, doch hatten diese US-Bürger keinerlei Mandat. Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass sich der US-Präsident derart weit aus dem Fenster hängt und jede Form von Waffenstillstand ausschließt, wenn er gleichzeitig eine komplette Kehrtwende hin zu einer Lösung der für Russland existenziell wichtigen strategischen Fragen verhandelt. Aus der Sicht des Kreml (und des überwältigenden Teils der russischen Bevölkerung) dürfte ja kaum etwas anderes infrage kommen. Hätten die weiterhin führenden US-Neokonservativen etwas Derartiges im Sinn, hätten sie Russland und nicht die Ukraine nach Dschidda einladen und jemand anderen als Jacob Sullivan und Victoria Nuland schicken müssen.

Die Dschidda-Konferenz war so etwas wie der Versuch der US-Führung, den militärisch verlorenen Ukraine-Krieg diplomatisch doch noch zu gewinnen. Immerhin ist es der Biden-Truppe laut „Wall Street Journal“ gelungen, Vertreter aus mehr als 42 Staaten – darunter vier BRICS-Mitglieder – nach Dschidda zu lotsen. Das bedeutet natürlich keineswegs, dass die sich alle hinter Selenskis 10-Punkte-Plan stellen. Nicht wenige mit Russland eng befreundete Staaten, wie zum Beispiel China mit seinem 12-Punkte-Papier, versuchen ihren Standpunkt deutlich zu machen und nicht den Sullivans und Nulands das Feld zu überlassen. Dass aus der Konferenz wenig nach außen drang, darf als klares Zeichen gewertet werden, dass die Dinge wohl kaum im Sinne des Biden-Selenski-Manövers laufen. Sonst hätten die westlichen Propagandamaschinen längst die Siegesfanfaren auf Dauerbetrieb geschaltet.

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"Diplomatische Offensive?", UZ vom 11. August 2023



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