Im Schweizer Kanton Bern kann Demonstrieren teuer werden

„Effizientere“ Polizeiarbeit

Aus Vorwärts, Zeitung der Partei der Arbeit (Schweiz)

Partei der Arbeit, Alternative Liste, Jusos, Demokratische JuristInnen und Nichtsesshaftenorganisationen haben ein Referendum gegen das massiv gegen Grundrechte verstoßende neue Polizeigesetz des Kantons Bern ergriffen. Am 10. Februar wird darüber abgestimmt.

In der Schweiz und in Deutschland machen Kantone und Bundesländer neue Polizeigesetze, Bayern hat bereits das repressivste seit 1945. Die Berner Abstimmungsbroschüre spricht von „zeitgemäßen Instrumenten zur Bekämpfung von Kriminalität“ und präzisiert später als „schwere Kriminalität“ wie „Pädophilie im Internet, organisierter Drogenhandel oder illegale Waffenkäufe“.

Weiter wird versprochen, das neue Gesetzeswerk biete bessere Möglichkeiten gegen Stalking und häusliche Gewalt. Das total revidierte Polizeigesetz wurde vom Berner Großrat mit 123 zu 23 links-grünen Stimmen verabschiedet. Es regelt Pflichten und Zuständigkeiten der Polizei, gibt ihr mehr Möglichkeiten und Kompetenzen und bezweckt neue Einnahmen und „effizientere“ Polizeiarbeit.

Infam und grotesk ist die Überwälzung von vier- bis fünfstelligen Kosten an die VeranstalterInnen und an einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer von politischen Kundgebungen – auch wenn sie selbst nicht zu jenen gehören, die Regeln verletzt haben, sich also an die bewilligte Route gehalten, keine Sachbeschädigung begangen haben oder keinen Nahkontakt mit Polizeibeamten hatten.

Im Kanton Luzern ist ein solches Polizeigesetz in Kraft; es gibt praktisch keine Demos mehr und schon gar keinen 1.-Mai-Umzug, da eine Veranstaltung oder auch nur eine Teilnahme teuer werden kann. Auch Grillen nach 22 Uhr kann teuer werden: Ruft jemand aus der Nachbarschaft wegen Nachtruhestörung an, darf die Polizei für den Einsatz vierstellige Kosten in Rechnung stellen.

Grundrechte werden ebenfalls verletzt durch die Bestimmungen gegen Nichtsesshafte (schnellerer Ortsverweis ohne Genehmigung des Untersuchungsrichters und ohne, dass die öffentliche Ordnung gestört wurde), erleichterte Wegweisung von „störenden“ Personen aus dem öffentlichen Raum und die Erleichterung von polizeilichen Vorermittlungen. Schon vor sieben Jahren bestimmte der Großrat, die Berner Polizei dürfe gegen Personen „zur Verhinderung von Verbrechen oder Vergehen“ an „allgemein zugänglichen Orten verdeckt beobachten und dabei Bild- und Tonaufnahmen machen“, dies mit allen Schikanen wie Kameras und Drohnen, auch durch Fenster in Wohnungen hinein.

Mit dem zur Abstimmung vorliegenden Gesetz kann die Polizei ohne Verdacht aufgrund von Hinweisen oder Gerüchten und ohne richterliche Genehmigung, ohne Dokumentation oder demokratische Kontrolle einen Monat lang (faktisch vielleicht sogar noch länger) im Leben einer bislang unbescholtenen Person herumschnüffeln. Diskriminierung wird erleichtert.

Normalbürger, die den Gesetzestext nicht lesen, werden die Verschärfungen wie bei der Vorlage zur Überwachung der Versicherten mit der üblichen Formel schmackhaft gemacht, wer nichts zu verbergen habe, habe auch nichts zu befürchten. Das neue Gesetz richte sich nur gegen Chaoten, Asoziale und das organisierte Verbrechen.

Es besteht bei vielen die Vorstellung, das herrschende System sei einfach sauber, gerecht und human, daran könne kein Gesetz etwas ändern. Die Unterschriften für die Volksabstimmung zusammenzubekommen war mit sehr großem Aufwand möglich, aber die Abstimmung zu gewinnen wird wohl schwieriger. Die Meinungen sind gemacht, Überzeugungsarbeit ist schwierig.

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"„Effizientere“ Polizeiarbeit", UZ vom 1. Februar 2019



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