Zum Kampf um den Tarifvertrag für studentisch Beschäftigte (TVStud)

Elftausend Einzelfälle?

Bella Gruber

Kettenbefristungen, Mindestlohn, unbezahlte Überstunden – Realität für die meisten der knapp 300.000 studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte, kurz gesagt: studentischen Beschäftigten, an den deutschen Universitäten.

Dem soll mit der aktuellen Tarifrunde der Länder ein Ende gesetzt werden. Die Gewerkschaften ver.di und GEW streben an, die Arbeitsbedingungen für studentische Beschäftigte zu regeln. Dies wurde durch einen Beschluss der ver.di-Bundestarifkommission öffentlicher Dienst vom 11. Oktober festgelegt. Das Ziel ist die Tarifierung der studentischen Beschäftigten, zum Beispiel durch ihre Integration in den Geltungsbereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Einen Tarifvertrag für diese Beschäftigungsgruppe gibt es bisher nur in Berlin. Hier wurde er nach langen Streiks in den 80ern erkämpft. Die bundesweite Initiative rund um den TVStud will sich in diese Tradition stellen – und genau das ist auch nötig.

Denn die Länder stellen auf stur. In der zweiten Verhandlungsrunde haben sie klargemacht, dass sie nicht nur die Forderungen ablehnen, sondern überhaupt keinen Tarifvertrag für die Beschäftigten aushandeln wollen. Mit den Argumenten aus der von der Initiative in Auftrag gegebenen umfassenden Studie „Jung, akademisch, prekär“ setzen sie sich nicht auseinander. Die Realität der mehr als 11.000 Befragten wird von den Arbeitgebern zu 11.000 Einzelfällen verklärt. Diese Haltung wird von der Politik gedeckt. So veröffentlichte das Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg erst kürzlich: „(Die) Arbeitsbedingungen entsprechen allen gesetzlichen Rahmenbedingungen. (…) Ein generelles und strukturelles Defizit (…) konnte (…) nicht festgestellt werden.“

Es braucht also starken Druck von den Beschäftigten. Für Viele stellt die aktuelle Tarifrunde die erste Möglichkeit dar, sich am Streik zu beteiligen und aktiv für ihre Interessen im Arbeitskampf auf die Straße zu gehen. Doch die aus fehlender Erfahrung resultierende Unsicherheit versuchen die Arbeitgeber schamlos auszunutzen. So verbreitete unter anderem die Ruhr-Universität Bochum wohl gezielt die Falschinformation, studentische Beschäftigte seien nicht streikberechtigt. In einem internen Schreiben an die Beschäftigten, das sich auf ver.di-Aufrufe zu den Warnstreiks bezog, wurde behauptet, dass sich „beschäftigte TV-L-Mitarbeiter beteiligen dürfen, nicht jedoch Beamte sowie studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte“. Dies wurde erst nach einem Hinweis einer Betroffenen auf der Internetplattform X korrigiert.

Die BTU Cottbus-Senftenberg geht in ihrem Mitarbeiterbrief zum Arbeitskampf mit der Formulierung, „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich an Arbeitskampfmaßnahmen nicht beteiligen, werden so lange wie möglich beschäftigt“, noch einen Schritt weiter und impliziert, dass die Teilnahme am Streik das Beschäftigungsverhältnis gefährden könnte.

Dagegen fast harmlos erscheint die Formulierung der FernUni Hagen, die in ihren Rundmails darauf hinweist, dass die Teilnahme an Streiks auch als Überstundenausgleich oder Urlaubstag genutzt werden könne.

Die prekäre Lage der Beschäftigten wird reihenweise ausgenutzt und ihre Ängste und Sorgen als Mittel genutzt, um die anstehenden Streiks im Keim zu ersticken.

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"Elftausend Einzelfälle?", UZ vom 17. November 2023



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