Ende der türkischen Militärpräsenz ist notwendig

Lars Mörking im Gespräch mit Fortschrittspartei des arbeitenden Volkes (AKEL)

Besetztes und geteiltes Zypern

1974 wurde der Nordteil Zyperns gewaltsam annektiert. Etwa 50 000 türkische Soldaten sind heute dort stationiert. Die türkische Regierung unterstützt das Denktasch-Regime des „Türkischen Föderativen Staates Zypern“ jedoch nicht nur mit Truppen und Geld, sondern auch durch eine entsprechende Siedlungspolitik. Entgegen aller internationalen Beschlüsse zu Zypern.

Die AKEL vertritt – wie die Mehrheit der Zyprioten – das Ziel, Zypern in einer unabhängigen demokratischen Republik wieder zu vereinen, in einer Republik, in der alle Menschen – unabhängig von ihrer Herkunft – gleichberechtigt zusammenleben können.

UZ: Im März soll eine UN-Friedenskonferenz zur Zypern-Frage stattfinden. AKEL hat Untersützung für die gegenwärtigen Bemühungen der zypriotischen Regierung signalisiert, zu einer Lösung zu kommen. Was ist der Stand bei den Verhandlungen zu einer möglichen Wiedervereinigung Zyperns und was sind die größten Hindernisse auf dem Weg dorthin?

AKEL: Der gegenwärtige Friedensprozess besteht seit 2008, als unser Genosse Dimitris Christofias zum Präsidenten der Republik Zypern gewählt wurde. Seitdem haben wir natürlich Veränderungen an der Spitze beider Gemeinschaften (der griechisch- und türkisch-zypriotischen) und – aufgrund verschiedener Faktoren – einen mal intensiveren, mal langsameren Fortgang der Verhandlungen.

Zu diesem Zeitpunkt und nach einer Intensivierung des Prozesses in den letzten zwei Jahren konnten die beiden Anführer der griechischen und türkischen Seite an die beachtlichen Annäherungen, die zwischen dem Genossen Christofias und Mehmet Ali Talat in der Zeit von 2008 bis 2010 erreicht wurden, anknüpfen.

Deshalb ist die kommende zweite Phase der Genfer Konferenz ein weiterer Schritt des gleichen Friedensprozesses, den wir unterstützen.

Abgesehen davon stützen sich die laufenden Verhandlungen auf vereinbarte Rahmenbedingungen und bestimmte Grundsätze. Im weiteren Sinne bedeuten Verhandlungen die Suche nach einem beidseitig akzeptablen Kompromiss, einem Kompromiss, der jedoch nicht von Rahmenbedingungen und den vereinbarten Grundsätzen abweicht.

Es ist unvermeidlich, dass das Ende der unrechtmäßigen Besetzung von 37 Prozent der Insel durch die Türkei und ihre Militärpräsenz in Zypern eine notwendige Bedingung ist, genauso wie die Beendigung der anachronistischen „ausländischen Garantien“. Gleichzeitig gibt es seit Langem den Kompromiss, die inneren Angelegenheiten der Zypern-Frage durch eine Transformation der politischen Struktur der Republik zu lösen, von einem einheitlichen Staat zu einer Zwei-Gemeinschaften-, Zwei-Zonen-Föderation mit politischer Gleichberechtigung, wie sie in den entsprechenden Beschlüssen des Sicherheitsrates beschrieben ist.

Was die Konferenz in Genf betrifft, so gibt es besondere Hürden bezüglich sowohl der vorher verlangten Fortschritte bei den inneren Aspekten als auch bei der Vorbereitung der Sicherheitsfrage, die auf einer politischen Ebene vor allem zwischen Griechenland und der Türkei erfolgen muss.

Wir verlangen von der Türkei nicht, dass sie unserer Position zustimmen muss, bevor die Konferenz beginnt. Beim ersten Treffen in Genf wurde jedoch deutlich, dass die Bedingungen für eine Diskussion der Sicherheitsfrage nicht gegeben waren und dies ist auch der Grund, warum die Frage an die Technokraten verwiesen wurde, um eine Basis zu schaffen.

Unserer Meinung nach wäre die effektivste Vorbereitung, sich mit einigen wesentlichen, noch unerledigten Fragen der inneren Aspekte der Zypern-Frage zu befassen. In diesem Stadium müssen wir uns dabei auf drei oder vier Kernfragen konzentrieren, die auch dem erfolgreichen Verlauf der Konferenz helfen könnten.

Diese Fragen haben vor allem mit Regierung und Verwaltung, Eigentumsfragen und der Frage der Gebietsaufteilung zu tun. Wenn die verbleibenden Unstimmigkeiten bei der Frage der Regierung angegangen werden, würde die Diskussion um die Frage der Gebietsaufteilung unter besseren Bedingungen fortgeführt werden können, was wiederum bei der Lösung der Eigentumsfrage helfen könnte.

Das ist der Weg, wie die Zeit bis zur Konferenz genutzt werden sollte.

UZ: Was ist die derzeitige Haltung der sogenannten Garantiemächte zu einem demilitarisierten, einigen und föderalen Zypern?

AKEL: Unbestreitbar muss die Lösung bezüglich der inneren Aspekte der Zypern-Frage von den Zyprioten gefunden werden. Wie diese Lösung in Bezug auf die föderale Struktur, die nach einer erfolgreichen – wie wir hoffen – Verhandlung und Referendum angenommen werden wird, aussehen wird, ist von den beiden Gemeinschaften auf der Insel festzulegen – entsprechend dem internationalen Recht und den Prinzipien der EU und acquis („gemeinsamer Besitzstand“, umfasst alle Rechte und Pflichten, die für alle Mitgliedstaaten der EU verbindlich sind, Anm. UZ).

In jedem Fall ist die Wiedervereinigung Zyperns und die Transformation der politischen Struktur in eine Föderation durch zahlreiche UN-Beschlüsse und Erklärungen anderer internationaler Organisationen anerkannt, wurde von den beiden Gemeinschaften in einer gemeinsamen Erklärung ihrer Führungen vereinbart und wurde nie von jemanden in der internationalen Gemeinschaft angezweifelt.

Darüber hinaus erstrecken sich die Rechte der drei Garantiemächte – allgemein gesprochen – nicht auf solche Fragen, und das können sie auch nicht, denn die Republik Zypern ist ein souveräner Staat.

Nichtsdestotrotz, da die Türkei auf Zypern seit der unrechtmäßigen Invasion 1974 militärisch präsent ist, können wir unser strategisches Ziel nicht erreichen, solange ihre Armee unser Land nicht verlässt. Zusätzlich erwarten wir, dass alle drei Garantiemächte – Türkei, Griechenland und Großbritannien – den Garantievertrag widerrufen und die koloniale hegemoniale Kontrolle, die sie 1960 Zypern aufgezwungen haben, überdenken.

Griechenland und Großbritannien haben bereits öffentlich erklärt, dass sie nicht an der Fortführung des Garantievertrags interessiert sind. Leider hat sich die negative Haltung der Türkei zu dieser Frage bisher nicht geändert. Wir hoffen, dass dieser Punkt Gegenstand der Verhandlungen sein wird, die Türkei wird jedoch flexibler sein müssen, wenn sie wirklich – wie sie erklärt – die Lösung der Zypern-Frage unterstützt.

Was die Demilitarisierung Zyperns betrifft, ist bekannt, dass dies eine seit langem vertretene Position nicht nur von AKEL, sondern der ganzen griechischen Gemeinschaft ist. Und selbst betreffend der Militärstützpunkte Großbritanniens besteht AKEL darauf, dass wir auch nach einer Lösung der Zypern-Frage weiter für ihre Auflösung kämpfen sollten.

UZ: Was muss wesentlicher Teil einer abschließenden Einigung sein? Worauf muss man sich geeinigt haben, damit von einer stabilen und dauerhaften Lösung der Zypern-Frage gesprochen werden kann?

AKEL: Es gibt keine Zeitpläne, aber dieses Verfahren geht in die eine oder andere Richtung seinem Ende zu – entweder einer Blockade oder einer Lösung. Folglich müssen die Verhandlungen, um eine abschließende Einigung zu erzielen, in einer konstruktiven Art und Weise fortgeführt werden, die die Verhandlungen erleichtert und nicht zu einem Stillstand führen.

Wie ich bereits erwähnt habe, ist es wichtig, dass vor dem nächsten Treffen in Genf die Anführer der beiden Gemeinschaften stufenweise in Richtung weiterer zu erreichender Annäherung bei ungeklärten inneren Fragen fortfahren. Und dass die Vorgehensweise der kommenden Konferenz so vereinbart ist, dass sie einen arbeitsfähigen Rahmen bietet, der die möglichen konstruktiven Verhandlungen über Sicherheit stärkt und nicht davon ablenkt.

Wenn überhaupt, dann müssen wir versuchen, zu einer substanziellen Diskussion zum Thema Sicherheit zu kommen – was die Beendigung der Besatzung mit einschließt, die Demilitarisierung Zyperns und die Annullierung der anachronistischen Garantien. Das ist der Punkt, an dem die Türkei und ihre wahren Absichten in der Praxis überprüft werden. Und unvermeidlich ist diese Frage der entscheidende Faktor, der über das Schicksal des Einigungsprozesses bestimmen wird. Wenn die Dinge sich nicht bewegen, bevor die Zeit der Vorwahlen beginnt – wir werden regulär Präsidentschaftswahlen im Februar 2018 haben –, wird die Möglichkeit einer Einigung deutlich geringer. Unsere Hoffnung ist, dass der Versöhnung und dem Frieden in Zypern eine echte Chance gegeben wird, natürlich zum Wohle aller Zyprioten.

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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"Ende der türkischen Militärpräsenz ist notwendig", UZ vom 24. Februar 2017



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