Klinik- und Pflegeheimträger setzen Betriebsräte unter Druck

Entlassung statt Entlastung

Im vergangenen Jahr gab es offiziellen Applaus für Pflegekräfte. Nun greifen mehrere Klinik- und Pflegeheimbetreiber ihre Mitarbeiter an. Sie kündigen gewerkschaftlich aktiven Kolleginnen und Kollegen, auch Betriebsrätinnen. ver.di geht davon aus, dass die Unternehmen damit Kritik an den Arbeitsbedingungen unterdrücken wollen.

Ende Februar sendete der WDR einen Beitrag über die Intensivstationen an der Uni-Klinik Münster. Ein Intensivpfleger berichtete, dass dort Patienten von Intensiv- auf Normalstation verlegt werden, „obwohl man genau weiß: Eigentlich könnten die noch gut ein bis zwei Tage auf der Intensiv gebrauchen“. Er stellte fest, was Pflegekräfte, die für Entlastung kämpfen, seit Jahren kritisieren: „Wir haben im Moment Arbeitsbedingungen, die uns krank machen und die unsere Patienten gefährden.“ In einem Offenen Brief berichteten ver.di-Kollegen, dass der Pfleger danach „massiv unter Druck gesetzt“ worden sei. In der vergangenen Woche kündigte die Klinik ihm außerordentlich und fristlos. Seine Gewerkschaft hat gegen die Kündigung geklagt.

ver.di-Sekretär Thomas Meißner sagt dazu: „Es könnte vermutet werden, dass mit der Kündigung ein Exempel statuiert werden soll.“ Die ver.di-Vertrauensleute der Klinik schrieben in einer Sonderausgabe der Betriebszeitung, die Kündigung richte sich „gegen alle, die sich am Uni-Klinikum Münster für Verbesserungen für das Personal und in der Versorgung der Patientinnen und Patienten einsetzen“.

Offenbar reagiert der Klinikvorstand mit Repression, weil der betroffene Kollege mit seiner Kritik nicht allein ist. Im November 2020 hatten Vertrauensleute einen Offenen Brief an den Vorstand geschrieben und in der Belegschaft verbreitet, mit dem sie Entlastung forderten. Der Personalrat sprach von „Aufruhr“ unter den Pflegekräften. 800 der insgesamt 2.000 Pflegekräfte der Klinik haben die Vertrauensleute mit Briefen unterstützt.
Das private Klinikunternehmen Atos will in Hamburg eine aktive Betriebsrätin loswerden: Es behauptet, Anja C. habe bei der Arbeitszeit betrogen. Die ver.di-Sekretärin Kathrin Restorff hält die Vorwürfe für „völlig absurd“ und die Kündigung für einen „Angriff auf unser Mitbestimmungsrecht“. Allerdings scheinen sie dem üblichen Vorgehen des neuen „Chief Operating Officers“ der Gruppe, Lars Timm, zu entsprechen. Timm war vor seinem Wechsel zu Atos als Regionalgeschäftsführer beim Krankenhauskonzern Ameos tätig und kündigte dort 14 Kolleginnen und Kollegen – offenbar, weil sie sich an einem Warnstreik für einen Tarifvertrag beteiligt hatten (siehe UZ vom 3. Januar 2020).

Sowohl in Bremen als auch in Osnabrück greift der französische Orpea-Konzern Betriebsrätinnen an – in beiden Fällen geht die Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht weiter. Orpea betreibt europaweit Altenpflege- und Reha-Einrichtungen. Die Residenz-Gruppe, die zu dem Konzern gehört, hat verkündet, dass sie mit einem Teil der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats nicht mehr zusammenarbeiten will – und ihnen Hausverbot erteilt. In Osnabrück behauptet die lokale Leitung des Heimbetreibers, zwei Betriebsrätinnen seien unentschuldigt nicht zu Betriebsratssitzungen gekommen – und will ihnen fristlos kündigen. Zuvor wollte das Unternehmen eine „Gesundheitsprämie“ durchsetzen. Die Betriebsräte lehnten ab, weil sie darin eine „Abstrafung“ kranker Kolleginnen und Kollegen sahen. ver.di vermutet in einer Stellungnahme, dass das Unternehmen mit den Angriffen auf die Betriebsrätinnen darauf reagiert hat – und betont, dass der Orpea-Konzern für seine „rabiate Haltung“ gegenüber Interessenvertretern der Belegschaften bekannt sei.

Auch die Hamburger Betriebsrätin Romana Knezevic sollte vom Asklepios-Konzern gekündigt werden (siehe UZ vom 26. Februar). Unter Druck musste der Konzern seinen Antrag auf Kündigung vor dem Arbeitsgericht zurückziehen: 10.000 Menschen hatten eine Online-Petition zur Solidarität unterzeichnet, Klinikbeschäftigte hatten wochenlang vor der Asklepios-Klinik St. Georg protestiert, wo Knezevic beschäftigt ist.

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"Entlassung statt Entlastung", UZ vom 19. März 2021



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