Event reicht nicht

Christa Hourani zur Kundgebung der IG Metall in Berlin

Die IG Metall bereitet eine Großkundgebung am 29. Juni in Berlin vor. Hintergrund ist die Krise in der Autoindustrie, die spürbar und offensichtlich geworden ist und Antworten verlangt. Seit Monaten wird schon die Werbetrommel gerührt, Busse und Sonderzüge sind bereits beauftragt. In den Betrieben wird kräftig mobilisiert. Es werden 50000 Metallerinnen und Metaller erwartet.

Um die Krise in den Griff zu bekommen, haben alle namhaften Autofirmen und Zulieferer Sparprogramme, Stellenstreichungen und Entlassungen angekündigt und zum Teil bereits vollzogen – wie zum Beispiel im Daimler-Werk in Stuttgart-Untertürkheim, wo fast 700 Leiharbeiter vor die Tür gesetzt worden sind.

In den letzten Jahrzehnten wurden mit den Verbrennungsmotoren Milliarden verdient. Der Betrug bei den Abgasmessungen, die Umweltbelastung durch Diesel- und Benzinautos und der überall spürbare Klimawandel haben diese Antriebe in Verruf gebracht. Jetzt soll auf Elektroautos umgestellt werden. Als Begründung wird angeführt, dass sie sauberer seien. Dies wurde von Wissenschaftlern längst widerlegt – die Umstellung soll trotzdem erfolgen. Denn auch mit Elektroautos werden die Autokonzerne sowie die Zulieferer gute Profite einfahren. Und um diese geht es im Kapitalismus, nicht um saubere Umwelt oder ökologische Wende. Dazu wären ganz andere Maßnahmen notwendig, wie zum Beispiel der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und dessen kostenlose Nutzung.

Die IG Metall ist auf den Zug der „Transformation“ aufgesprungen und fordert Mitgestaltung ein. „Die Beschäftigung in allen Branchen muss nachhaltig gesichert werden. Wir fordern: Mehr Mitbestimmung und Beteiligung bei den anstehenden Veränderungen“, so heißt es im Aufruf zur Demo. Viele Aussagen im Aufruf sind unkonkret oder allgemeine Floskeln wie „massive Investitionen in Zukunftsprodukte“, „soziale Absicherung“ oder „grundlegende Versprechen muss der Sozialstaat halten“. Die aktuellen Angriffe des Kapitals auf soziale Standards werden nicht benannt. Es heißt „Die deutsche Industrie steht vor einem entscheidenden Jahrzehnt: Schaffen wir die digitale und ökologische Wende oder fahren wir vor die Wand? Bauen wir die Produkte der Zukunft oder bauen wir Arbeitsplätze ab?“ Der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit spielt bei der „Transformation“ keine Rolle. Die Kundgebung scheint eher „Eventcharakter“ zu haben. Die IG Metall plant wohl nicht, einen spürbaren Druck auf das Kapital und seine politischen Handlanger auszuüben.

Die Kolleginnen und Kollegen in den von Sparprogrammen betroffenen Betrieben fühlen sich allein gelassen mit ihren Ängsten und Sorgen. Zu Recht sagen sie: Wo bleibt der Aufschrei der IG Metall gegen die Sparprogramme und die Entlassungen? Wo wird betrieblicher Protest dagegen organisiert? Wie sehen strategische Alternativen aus im Sinne der Beschäftigten? Im Aufruf ist dazu nicht viel zu finden. Die Kolleginnen und Kollegen fragen sich, ob die Kundgebung ein Auftakt für größere Aktionen sein wird, oder nur wie so oft schon ein Ventil zum Dampfablassen? Von weiteren Aktionen ist nichts zu hören. Schade, denn allein eine Kundgebung in Berlin wird nicht viel ändern für die Kolleginnen und Kollegen. Gegen die drastischen Angriffe des Kapitals braucht es konstante konsequente Gegenwehr und eine fundierte Strategie.

Wir sollten die Aktion in Berlin nutzen, um notwendige Forderungen in die Öffentlichkeit zu tragen wie zum Beispiel Arbeitszeitverkürzung für alle mit Lohn- und Personalausgleich, konsequenter Kampf gegen Sparprogramme und Entlassungen und Schluss mit Co-Management bei der Umsetzung der „Transformation“.

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"Event reicht nicht", UZ vom 14. Juni 2019



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