Nach Polizeimord an Jugendlichem: Macrons Knüppelgarde im Bürgerkriegsmodus

Frankreich in Flammen

Frankreich ist im Ausnahmezustand. Wieder brennen in den großen Städten Frankreichs die Autos, die Häuser der Reichen und andere Symbole der bürgerlichen Elite. Die Macron-Regierung reagiert mit der Mobilisierung einer Bürgerkriegsarmee von 45.000 Mann. Elite-Schläger mit Motorrädern, gepanzerte Autos und Hubschrauber. Wahllos werden Menschen zusammengeschlagen, Tausende verhaftet. Tränengas, Gummi-Wuchtgeschosse, Polizeiknüppel, das ganze Programm. Angefeuert von Marine Le Pen und ihrer Partei Rassemblement National und umgesetzt von einer mit Rassisten und Rechtsextremen durchsetzten Polizei. „Jetzt ist nicht die Zeit für den Arbeitskampf, sondern für den Kampf gegen diese ‚Schädlinge‘“, hieß es am Freitag in einer Erklärung von zwei Polizeigewerkschaften. Gegenüber diesen „wilden Horden“ reiche es nicht mehr, zur Ruhe aufzurufen, sie müsse durchgesetzt werden. Die Organisationen Alliance Police Nationale und Unsa Police befinden sich laut ihrer Erklärung „im Krieg“.

Wieder war ein Mensch mit Maghreb-Migrationshintergrund von Polizisten erschossen worden. Wie schon 2005, als am 27. Oktober zwei Jugendliche, ebenfalls mit Migrationshintergrund, bei einer Verfolgungsjagd der Polizei zu Tode kamen. Auch damals entlud sich die ganze Wut und Frustration der Banlieues, der heruntergekommenen französischen Vorstadtghettos, in den Edel-Zentren der „Reichen und Schönen“.

Nun wieder ein Polizeimord. Am Dienstag, den 27. Juni, wurde Nahel Merzouk im Pariser Vorort Nanterre bei einer Verkehrskontrolle aus nächster Nähe kaltblütig erschossen. Ein Mord mit Ankündigung. „Ich schieß dir in den Kopf“, hatte der Polizist Florian M. den 17-Jährigen angeherrscht. Nahel war in Panik gestartet, der Polizist hatte abgedrückt.

Die Bürger der von Frankreich kolonisierten und brutal ausgeplünderten Staaten, durch Gesetz auch Bürger des französischen Staates, durften – wenn sie das Geld aufbringen konnten – nach Frankreich einwandern. Sie blieben allerdings immer Bürger zweiter Klasse. Seit Jahrzehnten an den Rand der großen Städte gedrängt, waren sie zwar französische Staatsbürger, aber doch keine Franzosen. Sie waren zwar formal gleichberechtigt, aber bekamen nicht den gleichen Lohn, wenn sie denn überhaupt eine Arbeit fanden. Für sie galt nicht die Unschuldsvermutung, sondern das Ausnahmerecht der in ihren Vierteln allgegenwärtigen Bürgerkriegspolizei. Deren Mentalität ähnelt eher der einer Kolonialarmee des 19. Jahrhunderts als der einer Polizei eines halbwegs zivilisierten Staates. Frankreich reproduziert seine koloniale Klassengesellschaft im eigenen Land. Bekanntlich hatte schon Hollande seinen Staatsschlägern die Verwendung scharfer und tödlicher Munition erlaubt. Eine Verordnung, der nun Nahel zum Opfer gefallen ist. Nahel ist längst nicht der Erste und er wird kaum der Letzte bleiben. Mörder in Polizeiuniformen haben eine Lizenz zum Töten. Nicht nur in Frankreich.

Die strikte Weigerung der arroganten Macron-Regierung, auf die Forderungen der protestierenden Menschen substanziell einzugehen, hat die Menschen wütend gemacht. Der neoliberale kleine Napoleon kennt nur ein Programm: Die Reichen noch reicher machen. Bilder des feiernden Präsidenten auf einem Elton-John-Konzert während der Proteste machten die Sache nicht besser. Das Einzige, was der Elysee zu bieten hat, ist die Verschärfung der Repression.

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"Frankreich in Flammen", UZ vom 7. Juli 2023



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