Am 11. Juni 1945 wandte sich die KPD an das deutsche Volk

Für eine demokratische Erneuerung

Die Geschichte der Befreiung vom Faschismus ist eng verbunden mit dem Wirken der deutschen Kommunisten und Antifaschisten. Sie hatten sich schon während der Kämpfe des Zweiten Weltkrieges im Nationalkomitee Freies Deutschland organisiert und an der Seite der Roten Armee sowie mit den Widerstandskämpfern in den westlichen Ländern für die Beendigung der faschistischen Herrschaft und des Krieges gekämpft.

Vor 75 Jahren, am 11. Juni 1945, zog die Kommunistische Partei Deutschlands in ihrem Aufruf an das deutsche Volk die Bilanz der Herrschaft des deutschen Imperialismus und Militarismus, die Bilanz der zwölfjährigen Hitlerdiktatur und des Zweiten Weltkrieges. Ruinen, Schutt und Asche, verwüstete Gebiete, desorganisierte Wirtschaft und vor allem Millionen und aber Millionen Menschenopfer hatte der Krieg gebracht. Der Faschismus hatte Deutschland und Europa in eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes gestürzt.

Das war zugleich das offensichtliche Ergebnis eines Jahrhunderts der Herrschaft der deutschen Großbourgeoisie. Am Anfang stand ein Goethe und am Ende der tiefste politische, materielle und moralische Fall der deutschen Nation. Millionen Deutsche stellten in tiefster Verzweiflung, ohne noch einen Ausweg zu sehen, die Frage: Wie soll es weitergehen?

Den meisten war klar, wenn es überhaupt eine Hoffnung auf eine friedvolle Zukunft gab, dann musste ein völlig neuer Weg beschritten werden. Eine Antwort darauf gab die revolutionäre Vorhut der Arbeiterklasse mit ihrem Aufruf.

Schon auf der Brüsseler Konferenz 1935 hatte die KPD den Weg zur Befreiung des deutschen Volkes von der Hitlerdiktatur gezeigt. Sie hatte sich dabei insbesondere auf die Beschlüsse des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale gestützt.

Im Januar 1939 entwickelten die Kommunisten ihr Programm auf der Berner Konferenz weiter und legten konkrete Vorschläge zur Herstellung der Aktionseinheit der deutschen Arbeiterklasse und der antifaschistischen Volksfront aller Hitlergegner vor. Das Ziel war der Sturz des Faschismus und die Abwehr der Kriegsgefahr. Die KPD arbeitete bereits zu diesem Zeitpunkt einen konkreten Plan zur Schaffung einer antifaschistisch-demokratischen Republik aus, in der die Macht der Monopole und Militaristen gebrochen und die mit den Bauern, den Mittelschichten, der Intelligenz verbündete Arbeiterklasse die bestimmende Kraft sein sollte. Sie berücksichtigte dabei die geschichtliche Erfahrung, dass die ausgeprägte staatsmonopolistische Entwicklung in Deutschland einen unmittelbaren revolutionären Übergang zur Macht der Arbeiterklasse nicht zuließ.

In diesem Sinne wurde im Juli 1943 auf Initiative der KPD in Krasnogorsk bei Moskau das Nationalkomitee „Freies Deutschland“ (NKFD) gegründet und so eine deutsche Anti-Hitler-Koalition ins Leben gerufen. Noch während des Krieges begann die Planung konkreter Wege zur Lösung der Hauptaufgaben. Die Kommunisten und das NKFD waren die einzigen Kräfte, die sich auf die Durchführung eines wahrhaft demokratischen Programms zum Aufbau eines neuen Deutschlands vorbereiteten. (Walter Ulbricht)

Lange vor 1945 wurden die Grundlagen für den antifaschistisch-demokratischen Konsens der progressiven Kräfte Deutschlands erarbeitet. Er bildete die Grundlage der Politik der DDR. Dieser Konsens wurde später einschließlich der Sozialdemokraten um Kurt Schumacher verlassen. Die SPD machte den Sozialismus zur Tagesaufgabe und der Vorsitzende der CDU-Ost, Jakob Kaiser, sprach vom „allgemeinen sozialistischen Zug der Zeit“. Die Folge war die Wiederherstellung der Herrschaft des Monopolkapitals im Westteil Deutschlands.

Die KPD vermied es, in ihrer Erklärung den Sozialismus zu thematisieren. Sie sah die Grundfrage darin, dass die antifaschistisch-demokratischen Kräfte Schritt für Schritt die Macht in ihre Hände nehmen mussten. Berücksichtigt wurde dabei die konkrete Lage in Deutschland, die internationalen Bedingungen und die Besetzung durch Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung. Der Rahmen war durch die Vereinbarungen der Mächte der Anti-Hitler-Koalition gegeben.

In den Mittelpunkt wurden die Eigentumsverhältnisse gestellt. Sie mussten so verändert werden, dass die demokratischen Kräfte des Volkes eine materielle Grundlage für die Schaffung und den Ausbau politischer Machtpositionen bekamen und den Vertretern des Kapitals nicht nur die politischen, sondern vor allem auch die ökonomischen Möglichkeiten genommen wurden, das Volk noch einmal ihrem Willen zu unterwerfen. Nur so konnte eine friedliche Zukunft gestaltet und die nationale Einheit Deutschlands gewahrt werden.


Als erste wichtige Schritte zur Schaffung einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung schlug die KPD in ihrem Aufruf vor:

  1. Vollständige Liquidierung der Überreste des Hitlerregimes und der Hitlerpartei;
  2. Kampf gegen Hunger, Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit durch allseitige aktive Unterstützung der neuen Selbstverwaltungsorgane durch die Bevölkerung;
  3. Herstellung der demokratischen Rechte und Freiheiten des Volkes, insbesondere Wiederherstellung der Legalität freier Gewerkschaften und der antifaschistisch-demokratischen Parteien, Durchführung einer demokratischen Justizreform, Sicherung eines demokratischen Kultur-, Bildungs- und Erziehungswesens, Herstellung der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, Gewährleistung der Freiheit von Wissenschaft und Kunst;
  4. Wiedererrichtung auf demokratischer Grundlage beruhender Selbstverwaltungsorgane in den Gemeinden, Kreisen und Bezirken sowie von Provinzial- und Landesverwaltungen;
  5. Schutz der Werktätigen gegen Unternehmerwillkür und Ausbeutung;
  6. Enteignung des gesamten Vermögens der Nazibonzen und Kriegsverbrecher;
  7. Liquidierung des Großgrundbesitzes und demokratische Bodenreform;
  8. Übergabe aller Betriebe, die lebenswichtigen öffentlichen Bedürfnissen dienen, sowie der von ihren Besitzern verlassenen Betriebe in die Hände der Selbstverwaltungsorgane;
  9. Herstellung friedlicher, gutnachbarlicher Beziehungen zu anderen Völkern, entschiedener Bruch mit der Politik der Aggression und der Gewalt gegenüber anderen Völkern;
  10. Anerkennung der Pflicht zur Wiedergutmachung.

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"Für eine demokratische Erneuerung", UZ vom 12. Juni 2020



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