Washington will seine Vasallen auf die Schlacht gegen China einschwören

G7 im Kriegsmodus

Die Symbolik könnte kaum dramatischer sein: Die G7 tagen tatsächlich in Hiroshima, dem Ort des ersten US-Atombombeneinsatzes. Und wieder sind die USA im Krieg und wieder rüsten sie für einen weiteren, größeren, entscheidenderen. Die Botschaft des 6. August 1945 richtete sich kaum an das längst geschlagene Japan, sondern an die formal noch verbündete Sowjetunion. Die Botschaft des G7-Gipfels vom 19. bis 21. Mai wird sich auch an Russland, aber vor allem an China richten. Washington und seine wieder zu hörigen Vasallen degradierten Verbündeten sind wieder einmal im Kriegsmodus. Diesmal suchen sie die Entscheidungsschlacht um die Weltherrschaft – solange es ihnen noch möglich erscheint.

Der 6. August 1945 war ein Ereignis, das wie kaum ein zweites die geostrategischen Verhältnisse verändert und die USA in eine einzigartige Position gebracht hatte. Die US-Atomkriegsplaner glaubten sich dazu ausersehen, die „Rote Gefahr“ für immer atomar von der Weltkarte wegbomben zu können. Bekanntlich kam es dazu nicht, weil die Sowjetunion deutlich früher ein nukleares Abschreckungspotential aufbauen konnte als die US-Kriegsmaschine die notwendigen 3.500 Atombomben und die dazugehörigen Trägermittel für ihre „Doomsday-Operation“ (SIOP-62) hatte produzieren können.

Und heute, 20 bis 30 Millionen Opfer der US-Kriegsmaschine und ihrer willigen Helfer später – in Korea, Vietnam, Laos, Kambodscha, im Nahen und Mittleren Osten, in Afrika und Lateinamerika –, ruft Washington wieder einmal zum Kampf für „Freedom & Democracy“. Aktuell heißt er „Kampf der Demokraten gegen Autokraten“. Ausgerechnet in Hiroshima. Warum nicht in My Lay? Oder in Djakarta? Oder in Bagdad? Auch hier hatte man Hunderttausende umgebracht. Die Größe des Zynismus und der Bigotterie wird nur von der Größe der Vernichtungskraft und der atomaren Gefahren übertroffen, die in diesem Vorhaben stecken.

Oben auf der G7-Agenda steht natürlich der „brutale unprovozierte Angriffskrieg Putins“ gegen die ebenso friedlichen wie lupenreinen „Demokraten“ in Kiew. Der gastgebende japanische Premier Fumio Kishida gelobte, „eine vereinigte Front bei der Verfolgung des Ukraine-Problems“ anführen zu wollen. Und da müssen die G7 und muss der „Kollektive Westen“ insgesamt alles zusammenkratzen, was die Staatskassen und Militärdepots so hergeben. Das Dumme ist nur: Es reicht nicht. Und wie die offensichtlich geleakten „Pentagon Papers“ zeigen, ist dies auch den USA längst klar. Die große Gegenoffensive der Kiewer Truppen, mit der der Donbass und selbst die Krim zurückerobert werden sollte, wird immer weiter verschoben. Enttäuschung, Desillusionierung und selbst massiver Ärger machen sich breit. Denn die finanziellen und materiellen Kosten sind beträchtlich.

Doch mit dem Kampf gegen den Ultrabösewicht Putin ist es nicht getan. Der eigentliche Gegner Washingtons und damit der G7 sind ja vielmehr erklärtermaßen China und seine Kommunistische Partei. Um diesen Kampf plausibel zu begründen, lautet das westliche Narrativ: Das aggressive China will das friedliche Taiwan mit brutaler Waffengewalt erobern. Das ist, ähnlich dem „unprovozierten russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine“, nicht ohne logische Probleme, denn Taiwan ist, wie – auch von den westlichen Staaten – allgemein anerkannt, eine Provinz der Volksrepublik. Peking müsste nur tätig werden, wenn Taipeh seine Unabhängigkeit erklärte und diese auch vom Westen anerkannt würde. Das ist bislang nicht der Fall. Die militärische und ökonomische Zerstörung der Ukraine stellt sich aus Sicht vieler Taiwanesen nicht gerade als Wunschoption dar. Das hindert Washington und seine G7-Vasallen natürlich nicht daran, die Kriegstrommeln nach Kräften dröhnen zu lassen. Der orwellsche Neusprech dieses kommenden Krieges lautet: „Für die freie Seefahrt in der Taiwan-Straße und einen freien und offenen Indo-Pazifik.“

Idealerweise findet dieser G7-Gipfel in Ostasien statt. Die Biden-Regierung hat bei den Nachbarstaaten Chinas enormen Druck aufgebaut, um sie mit ins antichinesische Boot zu holen. Dies scheint zumindest bei Japan und Südkorea, aber auch beim willigsten aller willigen Vasallen – das künftig zu einer Nuklearmacht hochgerüstete Australien – bislang recht gut gelungen zu sein. Japans Premier Kishida und sein südkoreanischer Amtskollege Yoon Suk-yeol scheinen auf einer Art Suizidmission zu sein – jedenfalls können sie es offenbar kaum erwarten, gegen die Volksrepublik auch atomar zu Felde zu ziehen. Die Biden-Regierung hat angekündigt, nuklear bewaffnete U-Boote, B-52-Bomber und Flugzeugträger-Kampfgruppen in Südkorea und seinen Gewässern stationieren zu wollen. Vier neue US-Militärstützpunkte werden auf den Philippinen errichtet. Auch Japan, ohnehin der größte „unsinkbare US-Flugzeugträger“ in der Region, baut weitere US-Stützpunkte. Großmanöver mit China als Gegner werden gestartet.
Die Aufrüstung der Ukraine hat acht Jahre gedauert. Soviel Zeit gibt sich Washington, geben sich die G7 hier nicht.

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"G7 im Kriegsmodus", UZ vom 19. Mai 2023



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