#ZeroCovid fordert Runterfahren der Produktion – Die Reichen sollen zahlen. Das ist ohne Klassenkampf nicht zu haben

Gesundheit statt Profit

Der Wahnsinn geht weiter. Der „Lockdown light“ wird mindestens bis Mitte Februar verlängert: Private Kontakte und Freizeitmöglichkeiten werden weiter drastisch und zum Teil absurd eingeschränkt; Beschäftigte bleiben auf der Arbeit oder auf dem Weg dorthin der Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus ausgesetzt. Neu sind Appelle an die Wirtschaft, mehr Beschäftigten das Arbeiten von Zuhause zu ermöglichen und Hygienemaßnahmen in den Betrieben ernster zu nehmen. Die Pandemiebekämpfung der Bundesregierung stellt die Sicherung des Profits weiterhin über den Gesundheitsschutz.

Der Aufruf #ZeroCovid will mit dieser Logik brechen. Er fordert eine „europaweite solidarische Pause“: Fabriken, Büros, Betriebe, Baustellen und Schulen sollen für mehrere Wochen schließen, um die Anzahl der Infektionen auf Null zu bringen. Die Folgen des Shutdowns sollen nicht die Massen und Beschäftigten zahlen, sondern die Reichen, die Krisengewinnler, die Banken und Konzerne. Zu den Erstunterzeichnern gehören vor allem Beschäftigte des Gesundheitswesens und Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, vereinzelt Politikerinnen und Politiker wie Luisa-Marie Neubauer (Grüne) und Simone Barrientos (MdB Die Linke) und Kulturschaffende wie der Schauspieler Rolf Becker. Innerhalb weniger Tage wurde die Online-Petition von mehr als 70.000 Menschen unterstützt.

Die Forderungen von #ZeroCovid sind logisch. Sie gleichen den Maßnahmen, die einen erfolgreichen Kampf gegen die Pandemie in der Volksrepublik China, in Vietnam und Kuba möglich machten: Drastische Einschränkungen der Kontakte auf der Arbeit und in der Freizeit, regelmäßige Tests für alle, umfassende Pflege der Betroffenen und Stärkung des Gesundheitswesens. Es ist kein Zufall, dass die konsequente Bekämpfung des Virus in Ländern mit sozialistischer Orientierung, mit gesellschaftlichem Eigentum, gesellschaftlicher Kontrolle und Planung gelingt.

In Deutschland und Europa passiert das Gegenteil: Verluste und Gewinne sind Privatsache. Wir erleben gerade, wie sich imperialistische Dominanz und ökonomische Ungleichheit in Europa in Unrecht und Kämpfe bei der Impfstoffverteilung niederschlagen. Dies gilt noch mehr für die in Europa dominierende EU. Von diesem imperialistischen Konstrukt unter deutscher Dominanz ist eine Pandemiebekämpfung im Interesse der Menschen nicht zu erwarten. Sie kann nur durch Massenkämpfe, durch Klassenkämpfe von unten in allen EU-Ländern durchgesetzt werden. Ein Beispiel gaben im vergangenen Jahr italienische Metallarbeiter, die mit Streiks Betriebsschließungen für ihren Gesundheitsschutz erzwangen. In diesem Land sind wir von einer solchen Bewegung weit entfernt.

#ZeroCovid stößt eine wichtige Debatte an. Wir brauchen sie in Gewerkschaften, Betrieben, Schulen, Universitäten und in der Nachbarschaft. Wir brauchen sie, um die Klassengegensätze, die in dieser Krise offensichtlich sind, aufzuzeigen und um Bewegung und Kämpfe dagegen zu initiieren. Wir brauchen Widerstand, um das Abwälzen der Lasten der Wirtschaftskrise auf die Bevölkerung, für das die Pandemie genutzt wird, abzuwehren und um gegen eine neue Privatisierungswelle in den Kommunen und für ein Gesundheitswesen in öffentlicher Hand mit genügend Personal zu kämpfen. Nur so kann ein Kräfteverhältnis entstehen, in dem nicht jede neue Strategie im Kampf gegen das Virus letztlich Kapitalinteressen dient und von den Werktätigen bezahlt wird.

Ohne diesen Widerstand ist die Forderung nach einer noch dazu europaweiten „solidarischen Pause“ illusionär. „Wir wissen, dass wir den Schutz unserer Gesundheit gegen kurzfristige Profitinteressen und große Teile der Politik erkämpfen müssen“– diese Aussage von #ZeroCovid“ muss Leitlinie einer Strategie gegen die Pandemie und ihre Instrumentalisierung durch die Herrschenden sein. Wird der Aufruf allein als Appell an die Regierenden oder gar „an Europa“ verstanden, wird er wenig helfen. Wird er als Instrument zur Entwicklung dieser Kämpfe genutzt, kann er von riesiger Bedeutung sein.

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"Gesundheit statt Profit", UZ vom 22. Januar 2021



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