US-Gewerkschaft will Mercedes-Belegschaft in Alabama organisieren

Gewerkschaftsfeind Mercedes

Die US-Zeitung „People’s World“ berichtet aktuell über den Versuch der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW), die 5.200 Arbeiter im Mercedes-Benz-Werk in Vance, Alabama, zu organisieren. Es ist der jüngste Anlauf der UAW, die Automobilarbeiter im Süden der USA zu organisieren. In diesen Tagen stimmen zudem die 4.000 Beschäftigten im VW-Werk in Chattanooga, Tennessee, darüber ab, ob sie sich von der UAW gewerkschaftlich vertreten lassen wollen (UZ vom 29. März).

Nachdem die UAW ihre Arbeitskämpfe gegen die großer Detroiter Autokonzerne – darunter Ford, GM und Stellantis (ehemals FiatChrysler) – geführt und abgeschlossen hat, versucht sie, die Automobilarbeiter im Süden der USA zu organisieren. Hier haben sich deutsche, japanische und koreanische Konzerne angesiedelt. Auch deshalb, weil die Gesetzgebung in diesen Bundesstaaten besonders gewerkschaftsfeindlich ist. Hier sind die meisten der 150.000 nicht gewerkschaftlich organisierten Automobilarbeiter des Landes beschäftigt.

Laut „Peoples World“ erreichte die UAW eine „Flut von Anrufen“ von Arbeitern, die sich organisieren wollen. Und dies bevor die Gewerkschaft überhaupt angekündigt hatte, eine Organisierungskampagne für den Süden starten zu wollen. Demnach investiert die UAW über zwei Jahre 40 Millionen US-Dollar in diese Kampagne.

In Detroit war es gelungen, den Beschäftigten zu vermitteln, dass die Autokonzerne fast eine Viertelmilliarde US-Dollar an Gewinnen angehäuft hatten, während die Reallöhne der Arbeiter immer weiter sanken. Neu eingestellte Beschäftigte wurden zudem deutlich schlechter gestellt als ihre Kollegen. Das gleiche Muster sei bei Mercedes zu beobachten, so der UAW-Vorsitzende Shawn Fain. Der deutsche Autobauer habe genauso viel profitiert und die Löhne der Beschäftigten genauso gedrückt wie die Konzerne in Detroit. Im „System des Südens“ würden die Reichen und Mächtigen den Reichtum horten und die Macht monopolisieren. „An die Bosse und Talkmaster: Weinen Sie ruhig Ihre Krokodilstränen und wüten Sie gegen das Unvermeidliche. Aber wisst dies: Die Arbeiter des Südens erheben sich und wir werden nicht ruhen, bis der Gerechtigkeit Genüge getan ist“, sagte Fain.

Der bei Mercedes beschäftigte Jeremy Kimbrell ist eines der Gesichter der Kampagne für die gewerkschaftliche Organisierung des Werkes in Vance. Er kritisiert, dass Mercedes, Hyundai und Hunderte andere Unternehmen zwar Milliarden von Dollar für Führungskräfte und Aktionäre eingefahren hätten, „aber wir haben unseren gerechten Anteil nicht bekommen“. Mit der Abstimmung über die gewerkschaftliche Organisierung werde sich das Blatt wenden und die UAW den „Alabama-Rabatt“, den das Kapital in diesem US-Bundesstaat auf Lohnzahlungen bekomme, beenden.

Aber es geht nicht nur um die Höhe des Lohns bei Mercedes. Moesha Chandler sagt, dass die Gesundheit und die Sicherheit am Arbeitsplatz ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Organisierungskampagne spiele. „Ich bin noch jung, aber ich habe bereits ernsthafte Probleme mit meinen Schultern und Händen“, so Chandler. „Wenn man noch in den Zwanzigern ist und der Körper kaputt geht, ist das nicht in Ordnung.“ Mit der gewerkschaftlichen Vertretung erhofft er sich die Möglichkeit, die Arbeit sicherer und nachhaltiger zu gestalten.

Mercedes verliert laut UAW zudem Beschäftigte dadurch, dass der Konzern diese zwinge, in letzter Sekunde an Samstagen zu arbeiten und Schichten zu übernehmen. Das sei mit einem Familienleben nicht vereinbar. Die einzige Wahl, die die Leute hätten, sei, dies entweder zu akzeptieren oder zu kündigen. Die Gewerkschaft werde sich für faire Arbeitszeiten einsetzen und den Beschäftigten eine Stimme geben, so die UAW.

Aber es gibt natürlich auch eine Gegenkampagne, die versucht, eine gewerkschaftliche Organisierung zu verhindern. In Vance wurde beispielsweise Nick Saban aufgeboten, ein ehemaliger Footballtrainer der Universität von Alabama. Er sprach vor den Arbeitern auf einer Versammlung während der Arbeitszeit, einem sogenannten „Captive Audience Meeting“, um vor der Gewerkschaft zu warnen. Was Saban genau gesagt haben soll, darüber gehen die Angaben in den sozialen Medien auseinander. Saban ist heute Millionär und Besitzer mehrerer Mercedes-Autohäuser.

Der Kampf um Mitbestimmung wird auch vor den Gerichten ausgetragen. Die Beschäftigten reichten, unterstützt durch die UAW, in Deutschland eine förmliche Beschwerde gegen Mercedes-Benz ein – wegen Verstoßes gegen das Lieferkettengesetz. Die Rechte der Arbeiter zur Bildung einer Gewerkschaft würden missachtet.

In den USA forderte die UAW zudem die Arbeitsbehörde NLRB (National Labor Relations Board) auf, Sanktionen gegen Mercedes zu erlassen – und zwar wegen Union Busting. So sei Mercedes unter anderem gegen zwei Gewerkschafter vorgegangen, denen gesetzlich vorgeschriebener Urlaub verweigert worden sei. Lakeisha Carter und Al Ezell, die beide in der Batteriefabrik von Mercedes beschäftigt sind, hatten dagegen geklagt – und Recht bekommen. Anschließend wurden sie jedoch entlassen.

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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"Gewerkschaftsfeind Mercedes", UZ vom 19. April 2024



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